Prozess wegen Bestechlichkeit: Bewährung für Ex-MDR-Sportchef
Ex-MDR-Sportchef Wilfried Mohren legt ein tränenreiches Geständnis ab - und kommt auf Bewährung davon.
Wilfried Mohren musste weinen. Er kam in seinem Geständnis jetzt zu der Stelle, an der er von den Qualen sprach, die seine Frau, seine Kinder und er seit dem Verfahrensbeginn 2005 zu erleiden hatten.
Es hat sich für den ehemaligen Fernsehsportchef des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) gelohnt: Am Ende des zweiten Prozesstages am Dienstag vor dem Landgericht Leipzig wurde der wegen Bestechlichkeit, Vorteilsannahme, Steuerhinterziehung und des Betrugs angeklagte Mohren zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren und 9.000 Euro verurteilt. Dazu kommt eine bereits vereinbarte Schadensersatzzahlung von rund 380.000 Euro an der MDR.
Dieses Strafmaß hatte Richter Karsten Nickel Mohren in Aussicht gestellt, wenn sein Geständnis "glaubhaft" sein würde. Und so redete Mohren: Nach einer Stunde hatte der 51-Jährige zwar alle Anklagepunkte eingeräumt, sie jedoch immer mit großem Aber und Pathos versehen. Mohren sah sich durch eine Nebentätigkeitserlaubnis, die ihm 1992 erteilt worden sei, nicht in der "Bringschuld", seine genauen Einnahmen und Aufgaben preiszugeben. Vielmehr habe der MDR eine "Holschuld" gehabt.
So sah Mohren sein Engagement für die Firma Techem gedeckt, von der er Jahr für Jahr ein Honorar von 7.500 Euro bekommen hatte - ohne zu moderieren. Gleichzeitig übertrug der MDR den "Techem Cup", ein Hallenfußballturnier, und platzierte von Techem gesponserte Sportler im Programm. Auch von der Stiftung Deutsche Sporthilfe gab es Provisionen, die Mohren aber nie gefordert habe. Für die Arbeit habe sogar eine Sondererlaubnis vorgelegen. Die Sporthilfe fand auch groß im MDR-Programm statt, Vertreter wurden interviewt und in Szene gesetzt.
In beiden Fällen sei er "zu nah am Berichtsgegenstand gewesen", gab Mohren kleinlaut zu und "habe so den Eindruck der Beeinflussbarkeit geweckt". Er habe "ein Eigentor geschossen". Es sei immer sein Traum gewesen, Sportreporter zu sein und die deutsche Einheit zu erleben, als Kind habe er fiktive deutsch-deutsche Fußballpartien kommentiert. So viel zum Pathos.
Schuldig zeigte sich Mohren auch gegenüber den Vorwürfen im Zusammenhang mit dem früheren Sportchef des Hessischen Rundfunks, Jürgen Emig. Für die Übertragung von Motorsportveranstaltungen war von einem Geschäftspartner Emigs Geld auf das Konto von Mohrens Frau Christiane geflossen. Auch sie gestand die Beihilfe in einer von ihrem Anwalt vorgetragenen Erklärung. Doch Mohren lavierte auch diesmal: Er sei von Emig unter Druck gesetzt worden. Er, der doch nur Sportchef "einer nicht gerade gemochten Ost-Anstalt" war, hatte im Gegenzug von Emig Hilfe in ARD-Gremien zugesichert bekommen.
Nach einer Pause legte Mohrens Anwalt nach und verlas eine Erklärung, in der Mohren sich in allen Anklagepunkten umfänglich für schuldig erklärte - ohne Aber und Pathos. Der Weg war frei für eine Bewährungsstrafe.
Die Staatsanwältin wollte sich dem nicht anschließen. Sie forderte drei Jahre Haft für Mohren und eineinhalb Jahre auf Bewährung für seine Frau. Ein am ersten Prozesstag vom Richter unterbreiteter Verständigungsvorschlag mit einer Bewährungs- und Geldstrafe für Mohren war von der Staatsanwaltschaft gleich am Dienstagmorgen abgelehnt worden. Ob die Staatsanwaltschaft in Revision geht, will sie nun "in Ruhe prüfen".
Ein wichtiges Detail am Rande: Mohren wurde von Richter Nickel als Amtsträger eingestuft. Genau wie Jürgen Emig, der vor einem Jahr wegen Bestechlichkeit und Untreue zu einer Haftstrafe verurteilt wurde. Emig ist wegen dieser Einstufung, die ein höheres Strafmaß bedeuten kann, vor dem Bundesgerichtshof in Revision gegangen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Gespräche in Israel über Waffenruhe
Größere Chance auf Annexion als auf Frieden
Krieg in der Ukraine
USA will Ukraine Anti-Personen-Minen liefern