Prozess um mutmaßlichen Kriegsverbrecher: Freispruch für John Demjanjuk verlangt
Der Verteidiger plädiert im NS-Verfahren wegen Beihilfe zum Mord auf Freispruch: Der Angeklagte sei unschuldig und nie im Vernichtungslager Sobibor gewesen.
BERLIN taz | Im Prozess gegen den mutmaßlichen NS-Kriegsverbrecher John Demjanjuk plädiert die Verteidigung auf Freispruch. Anwalt Ulrich Busch verlangte am Dienstag, dem 88. Prozesstag vor dem Münchner Landgericht, "Freispruch, Haftentlassung und Haftentschädigung". Er fügte hinzu: "Und wenn nicht, gibt's Revision."
Busch stellte den 91-jährigen Angeklagten als ein Justizopfer dar. Demjanjuk sei als Greis nach Deutschland gebracht worden und ohnehin schon extrem hart bestraft. Der Anwalt, der durch hunderte Beweisanträge erheblich zu Verzögerungen im Prozess beigetragen hatte, sagte, er sei von der Unschuld seines Mandanten überzeugt. Es sei in keiner Weise erwiesen, dass Demjanjuk Wachmann im Vernichtungslager Sobibor gewesen sei.
Den vom Gericht eingeführten SS-Ausweis Demjanjuks hält Busch für eine Fälschung, obwohl Gutachter die Auffassung vertreten, dass das Papier echt ist. Dieser Ausweis gilt als Kernbeweis in dem Prozess, da es keine lebenden Zeugen mehr gibt, die aussagen könnten, dass der Angeklagte Tausende Juden in die Gaskammern getrieben hat.
Aber selbst wenn Demjanjuk in Sobibor gewesen sein sollte, könne man ihm daraus keinen Vorwurf machen. Als Kriegsgefangener habe er keine andere Wahl gehabt, sagte Busch.
Demjanjuk wird zur Last gelegt, in dem Vernichtungslager Sobibor Beihilfe zum Mord in mindestens 27.900 Fällen begangen zu haben. Der Anklage zufolge habe er sich als ukrainischer Kriegsgefangener der Wehrmacht freiwillig zu Hilfsdiensten für die SS im deutsch besetzten Polen gemeldet.
Die Staatsanwaltschaft verlangt in dem Prozess eine sechsjährige Haftstrafe. Demjanjuk selbst, der seit seiner Abschiebung aus den USA 2009 in Deutschland in Untersuchungshaft sitzt, bestreitet die Tatvorwürfe.
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