Prozess um Venusfalle: Typisch Rocker, irgendwie

Der frühere Präsident der Bremer Hells Angels und seine Frau sind der Erpressung und Nötigung angeklagt. Doch das Verfahren könnte platzen, ehe es richtig begonnen hat.

So kennt man sie, die Hells Angels, hier bei einer Trauerfeier in Bremen. Bild: dpa

BREMEN taz | Ein Hells Angel, natürlich! Da nimmt man gemeinhin gerne an, dass die Geschichte sich genauso zugetragen hat, wie die Anklage der Staatsanwältin das vorträgt. Es geht schließlich um lauter Straftaten, die als „rockertypisch“ gelten. Und den letzten Präsidenten des inzwischen aufgelösten Bremer Charters der Hells Angels, Marcel S., einen vorbestraften, breitschultrigen, etwas finster dreinblickenden Mann von 42 Jahren. Neben ihm auf der Anklagebank sitzt seine Frau Michaela, 24, eine gertenschlanke, langhaarig-blonde Tschechin, die jedenfalls früher als Prostituierte arbeitete und vorgibt, kein Deutsch zu verstehen. Da sind schnell alle Klischees erfüllt.

Doch die Anklage, rügt der Verteidiger Günter Bandisch, sei so „mangelhaft“, dass sie „unzulässig“ sei. Weil sie gar nicht genau sage, wer von beiden was genau getan haben soll. Immer wieder ist da – bisweilen etwas vage – von Betrug, Nötigung und räuberischer Erpressung die Rede, und vom Versuch sowie der Beihilfe dazu.

Das Ehepaar S. schweigt erst mal dazu und ZeugInnen können keine vernommen werden, ehe nicht über die Qualität der Anklageschrift entschieden ist. Der Prozess wurde deshalb schon kurz nach seiner Eröffnung wieder ausgesetzt. Sollte die Verteidigung an dieser Stelle obsiegen, wäre das Verfahren fürs Erste geplatzt.

Dessen Vorgeschichte geht so: Herr T., ein Handelsvertreter, soll sich als Freier in Frau S. verliebt haben, als die noch nicht mit ihrem heutigen Gatten verheiratet war. Auch teure Geschenke habe er ihr gemacht, so die Anklage – ein Auto, unter anderem, und ein Smartphone samt Vertrag.

Sie wiederum soll sich dann zum Schein auf ihn eingelassen haben. Und von einem gemeinsamen Leben mit ihm, vom Ausstieg aus der Prostitution, von 15.000 Euro Schulden geredet haben. Obwohl sie all das nie hatte oder wollte, zumal sie ja schon mit Marcel S. befreundet war. Zusammen sollen die beiden dann Herrn T. erpresst haben.

Marcel S. habe sich dabei mit seiner Beteiligung am Überfall der Bremer Hells Angels auf die konkurrierenden Rocker der Bandidos gebrüstet – 2006 war das, in Stuhr. Und die Familie des T. ausgeforscht. Alle zwei Wochen, so die Anklage, soll der S. 200 Euro von T. eingefordert haben, damit dessen Familie unbehelligt bleibt. Anfänglich hat T. wohl auch bezahlt, später aber nicht mehr. Ob seine Familie, inwieweit er deswegen leiden musste – unklar. Die Hoffnung auf Frau S. zumindest gab T. bald wieder auf.

Aus Sicht der Verteidigung fehlt der Anklage die genau Zuordnung von Tat und TäterInnen. Genau das müsste sie aber leisten. Bandisch spricht gar von „Verschleierung“. Er hält die Vorwürfe in vorliegender Form für „nicht verteidigungsfähig“.

Der von mehreren JournalistInnen verfolgte Prozessauftakt am Landgericht fand unter starkem Polizeischutz statt. Allein: Unter den BeobachterInnen war kein einziger Rocker. Lars Wunderlich, der Anwalt von Marcel S., kritisierte derweil den „Medienauflauf“ und warf dem Gericht vor, ein „Stigma“ zu verbreiten. Die Sache mit den Hells Angels sei doch ein „Totschlagsargument“, so Wunderlich – eines, das die Schuld schon jetzt vorwegnehme. Dabei habe die Anklage „nichts“ mit dem Rockerklub zu tun. Nicht einmal dann, wenn sie stimme.

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