Prozess um Steinewerfer in Berlin: Polizist verpfeift Polizist
Mindestens zwei Polizisten waren privat beim Maikrawall in Berlin-Kreuzberg unterwegs. Der eine sah den andere Steine schmeißen. Nun begegnen sie sich vor Gericht wieder.
Sieht ein Mann einen anderen am Gleisdreieck in die U-Bahn steigen. Denkt er sich, den kenn ich doch, der hat doch gerade beim 1. Mai in Kreuzberg Steine geschmissen. Dem folg ich mal, ich bin schließlich Polizist. Ich hab zwar frei, aber ich ruf einfach die Kollegen. Als die am Alexanderplatz zusteigen, denkt sich der andere, so ein Mist. Jetzt werd ich nicht nur hopsgenommen, jetzt bin ich auch noch meinen Job los. Denn auch der Festgenommene ist - Polizist.
Die absurd klingende Geschichte hatte am Dienstag vor dem Berliner Amtsgericht ein Nachspiel. Diesmal stehen sich die beiden Polizisten als Angeklagter und Zeuge gegenüber. Der 24-jährige Reik L. muss sich wegen schweren Landfriedensbruchs und gefährlicher Körperverletzung verantworten. L. ist ein großer Mann mit breiten Schultern. Als seine Adresse gibt er Frankfurt am Main an. Was ihn am 1. Mai 2009 nach Berlin verschlagen hat, erfährt man nicht. Das Einzige, was der Angeklagte vor Gericht sagt, ist, dass er beim Frankfurter Flughafensicherheitsdienst als Beamter zur Probe angestellt war und nun vom Dienst suspendiert ist.
Der Zeuge Rudolf S., ist gleichfalls Bundespolizist - nur auf Berliner Bahnhöfen im Einsatz. S. ist von rundlicher Statur und zehn Jahre älter als L. Vor dem 1. Mai 2009, versichert der Zeuge, habe er den Angeklagten nie gesehen. "Wir kennen uns nicht. Auch beruflich haben wir nichts miteinander zu tun."
Er sei privat auf dem Maifest gewesen, erzählt der Zeuge. Gegen 23 Uhr habe er am Kottbusser Tor mitbekommen, wie ein Zug Grünuniformierter aus einer Menschenmenge mit Steinen und Flaschen beworfen worden sei. Zwei "unmittelbar" hinter ihm stehende Männer hätten mitgemacht. Der eine, den er später auf dem Bahnhof wiedererkannt habe, habe einen Beamten mit einem Stein an der Hand getroffen, einen anderen Polizisten am Helm. Mit welcher Hand der Angeklagte geworfen habe, könne er nicht sagen. "Geil. Getroffen", habe einer beiden Männer gerufen. "Sie warfen immer verdeckt, damit es niemand sieht. Das hat mich geärgert."
Vergebens habe er versucht, einen Festnahmetrupp auf die beiden anzusetzen, erklärt der Zeuge. Doch eine Stunde später, auf dem Heimweg, habe er den Angeklagten dann zufällig auf dem U-Bahnhof Gleisdreieck wiedergesehen. "Ich habe ihn gleich erkannt."
L. habe nach der Festnahme die Aussage verweigert, sagt ein Kripobeamter vor Gericht. Der Beschuldigte habe bekümmert gewirkt und sich Vorwürfe gemacht. Bevor er bei der Polizei mit seiner Mutter telefoniert habe, habe er sinngemäß gesagt: Was habe ich bloß gemacht, mir so die Zukunft zu verbauen?
Der Prozess wird in zwei Wochen fortgesetzt. Dann heißt es wieder: Steht ein Polizist vor Gericht und schweigt.
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