Prozess in Schweden: A$AP Rocky ist erstmal frei
Das Amtsgericht in Stockholm hat den Haftbefehl gegen einen US-Rapper aufgehoben. Selbst US-Präsident Trump hatte sich in den Fall eingeschaltet.
Der Beschluss legt nahe, dass es entweder zu gar keinem Schuldspruch oder einer Verurteilung zu einer Haftstrafe von nicht mehr als einem Monat kommen wird. Rocky & Co durften nach 30 Tagen Untersuchungshaft Schweden wieder verlassen. Noch in der Nacht flogen sie mit dessen Privatjet in die USA zurück.
Das Verfahren gegen Rakim Mayers, wie A$AP Rocky mit bürgerlichem Namen heißt, hatte großes internationales Aufsehen erregt und sich wegen Interventionen des US-Präsidenten Donald Trump sogar zu einem Konflikt zwischen Washington und Stockholm entwickelt. Der 30-jährige Rocky war am Abend des 30. Juni, zwei Tage vor einem Konzert auf dem Stockholmer Hip-Hop-Festival „Smash“, in der City der schwedischen Hauptstadt in eine gewaltsame Auseinandersetzung verwickelt, die damit endete, dass sich der 19-jährige Mustafa Jafari mit zahlreichen Schnittwunden, Prellungen und einer angebrochenen Rippe ins Krankenhaus begeben musste.
Einzelheiten des Vorfalls blieben auch im Prozess strittig. Rocky und seine Bodyguards behaupteten, sie hätten sich von Jafari und dessen Begleiter belästigt und bedroht gefühlt. Aus Notwehr und unter Einsatz körperlicher Gewalt hätten sie schließlich darauf reagiert, dass dieser sie verfolgt und nicht in Ruhe gelassen habe.
Der verletzte 19-jährige Jafari, der 2015 als Flüchtling aus Afghanistan nach Schweden gekommen war, behauptete dagegen, völlig unbegründete und exzessive Gewaltanwendung der Gegenseite, die von ihm nicht provoziert worden sei. Die Staatsanwaltschaft teilte in ihrer Anklageschrift diese Auffassung: Rocky und seine beiden Begleiter hätten Jafari „vorsätzlich, gemeinsam und verabredet“ durch Schläge, Tritte und mit einer abgebrochenen Flasche angegriffen und verletzt. Die drei Beschuldigten waren am 3. Juli in Untersuchungshaft genommen worden.
Keine Bürgschaft oder Kaution
Es handelte sich eigentlich um ein Routineverfahren, wie es von der schwedischen Justiz jährlich mehrere tausendmal verhandelt wird. Routine – wenn auch in Schweden schon seit langem kritisiert – ist auch, dass die Justiz selbst bei relativ geringfügigen derartigen Verfahren Untersuchungshaft verhängt, wenn die Beschuldigten keinen festen Wohnsitz in Schweden haben. Das schwedische Recht kennt keine Haftverschonung gegen Leistung einer Bürgschaft oder Kaution.
Donald Trump
Das Risiko für die Justiz: Kommt es zu keiner Verurteilung oder zu einer, die kürzer als die verbüßte Untersuchungshaft ist, können Schadensersatzforderungen und die Erstattung von möglichen Einkommensverlusten auf die Staatskasse zukommen.
Eine Sonderbehandlung bekam auch A$AP Rocky nicht. Wegen seiner Festnahme und Inhaftierung protestierten nicht nur viele prominente Stars und hunderttausende Fans, sondern auch US-Präsident Donald Trump. Gleich nach dessen Festnahme kündigte er an, sich um eine Freilassung „kümmern“ zu wollen – in einem Telefonat mit dem schwedischen Ministerpräsidenten werde er das regeln.
Doch der von Trump als „tatkräftiger und zuverlässiger“ Staatsmann, den er „sehr schätze“, gelobte Stefan Löfven ließ den Präsidenten abblitzen. Er habe Trump am Telefon die Prinzipien einer unabhängigen Justiz erläutert, berichtete der Ministerpräsident anschließend gegenüber der Presse: „Ich war sehr deutlich, dass das schwedische Rechtssystem nicht verhandelbar ist. Unabhängig davon, wer da anruft oder twittert.“ Er sehe auch keinerlei Veranlassung, den Dialog mit Trump zu vertiefen.
Trump wird aktiv
Worauf Trump sich mit dem vorher „sehr geschätzten“ Löfven „sehr unzufrieden“ zeigte und ihn attackierte: „Wir tun so viel für Schweden, aber das scheint ja nicht erwidert zu werden.“ In einem weiteren Tweet warf er Schweden vor „unsere afroamerikanische Gemeinschaft in den USA im Stich zu lassen“. Demonstrativ schickte er zur Prozessbeobachtung seinen Sondergesandten, den Anwalt Robert C. O'Brien.
Als „äußerst ungewöhnlich und unglücklich“ bezeichnet Jan Hallenberg, Forscher am schwedischen „Außenpolitischen Institut“ Trumps Interventionen, die demonstrierten, dass „die politische Führung der USA das schwedische Rechtswesen nicht respektieren will“. Und Dag Blanck, Professor für Nordamerikastudien an der Universität Uppsala meinte, der Fall A$AP Rocky sei für den in letzter Zeit mehrfach mit Rassismusvorwürfen konfrontierten Trump genau zum richtigen Zeitpunkt gekommen. In Teilen der US-Öffentlichkeit gebe es die Auffassung, Rocky „erfahre in Schweden eine negative Sonderbehandlung, weil er schwarz sei: Da kann sich Trump hinstellen und demonstrieren, schaut, ich setze mich für Schwarze ein“.
Was die liberale Tageszeitung Dagens Nyheter als „Trumps zynischen Versuch“ bezeichnet, „die Unterstützung schwarzer Wähler zu gewinnen, ohne ihnen sachpolitisch irgendetwas bieten zu müssen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren