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Prozess gegen vermeintliche MusikpiratenMacht Bushido Rentnermusik?

Weil sie Musik von Bushido heruntergeladen haben sollten, wurden drei Computerbesitzer verurteilt. Unter ihnen auch ein Rentner, der beteuerte, den Rapper gar nicht zu kennen.

Bushido trat zur Abwechslung mal als Kläger auf. Und: er bekam Recht! Bild: dpa

DÜSSELDORF/BERLIN Wenn der "Gangsta-Rapper" Bushido vor Gericht steht, hat er meist irgendetwas ausgefressen. Diesmal ging es um Musikpiraterie - und der HipHopper gewann den Prozess. Es wird für ihn ein ganz neues Gefühl gewesen sein: Bisher war er nur als Angeklagter wegen Körperverletzung, Nötigung und Beleidigung mit Gerichten in Berührung gekommen.

Im aktuellen Fall hatte der Rapper, der mit bürgerlichem Namen Anis Mohamed Youssef Ferchichi heißt, drei Computerbesitzer verklagt. Er warf ihnen vor, seine Musik aus illegalen Internet-Tauschbörsen heruntergeladen zu haben. Das Düsseldorfer Landgericht bestätigte einstweilige Verfügungen gegen die drei Beklagten, die hingegen versicherten, gar keine Musikpiraten zu sein.

Sie gehören augenscheinlich auch nicht zur Zielgruppe des Rappers, der einen harten, düsteren HipHop-Stil prägt. Mehr noch: unter ihnen war ein Rentner, der aussagte, er wisse nicht einmal, wer oder was Bushido überhaupt sei, und er habe auch kein Programm, um Musik aus dem Internet herunterzuladen. Ein Ehepaar hatte angegeben, zur fraglichen Zeit nachweisbar nicht am Computer gewesen zu sein.

Doch es nützte alles nichts: das Gericht befand, darauf komme es nicht an. Auch wenn tatsächlich keiner der Beklagten die Musik selbst heruntergeladen habe - ihre IP-Adressen sind festgestellt worden. Wahrscheinlich ist ihre einzige Schuld, dass sie ihre WLAN-Funknetzverbindung nicht verschlüsselt hatten. So konnten Dritte auf das offene Netzwerk zugreifen und die Musik von Bushido illegal herunterladen, ohne selbst erkannt zu werden.

Auf die verurteilten Computerbesitzer kommen nun erhebliche Verfahrens- und Anwaltskosten vor, außerdem wird nun auch strafrechtlich gegen sie ermittelt. Im Wiederholungsfall droht ihnen ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 Euro.

Und Bushido? Eine solche Spießigkeit hätte man dem sich oft so rebellisch gebenden Musiker gar nicht zugetraut. Doch kaum waren IP-Adressen bekannt, von denen seine Musik heruntergeladen wurde, erstattete er Anzeige. Vielleicht wollte er tatsächlich vor Gericht nur einmal Recht bekommen. In der Vergangenheit war er immer wieder wegen feindseliger Äußerungen gegen Frauen und Homosexuelle aufgefallen, er war wegen Körperverletzung verurteilt worden, wegen Schlägereien in die Kritik geraten.

Mehrere seiner Lieder stehen aufgrund jugendgefährdender Inhalte auf dem Index. Dennoch zählt Bushido mit Sido zu den erfolgreichsten Deutschen HiipHop-Künstlern. Über seine Popularität bei Rentnern ist nichts bekannt.

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11 Kommentare

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  • L
    lulix

    Vielleicht sollten die Gerichte endlich mal dieser Abmahnwut den Riegel vorschieben. Durch diese Geschichten werden Gerichte gehindert sich um wichtiges zu kümmern.

     

    O.K., dass ein Künstler seine Werke schützen will kann ich nachvollziehen und dies mag auch berechtigt sein. Und wenn dies ein erfolgreicher Künstler oder die Plattenfirma bei professinellen Raubkopierern durchzieht auch.

     

    Nen Opa wegen einem Lied zu verklagen ist jedoch absolut niederträchtig und zeigt die Grösse dieses Herrn Anis Mohamed Youssef Ferchichi alias Buhhhhh....s.i.d.o

     

    Vielleicht bringen ihm die pupertierenden Bravokid´s nicht mehr genug in die Tasche ;O)

     

    Mir tut´s einfach für den Rentner leid !

  • RS
    Ron Stockinger

    Ich finde es absolut das niederträchtigste, wenn ein 29 jähriger Millionär mit krimineller Energie einen 80 jährigen Rentner wegen einer Tat verklagt, die er höchstwarscheinlich, wie im Vorfeld schon bekannt war, gar nicht begangen hat und dann auch noch aufgrund von irgendwelchem seltsamen rechtsempfinden Scheinrecht bekommt. An diesem Beispiel sieht man, in welcher kaputten Welt wir leben. Der alte Mann kennt doch nichtmal den Unterschied zwischen Zivil- u. Strafrecht und war warscheinlich noch nie angeklagt oder wie in diesem Fall beklagt. Der Kläger hat zumindest das Strafrecht nachweislich und berechtigt schon zu spüren bekommen. Man denke nur an den psychologischen Faktor und die Angst und Aufregung bei dem alten Mann. Muss es denn sein, dass jemand einem anderen, viel Schwächeren, Schaden zufügt und dann auch noch vom Rechtssystem belohnt wird.

    Der alte Mann ist bestimmt dem Neuen nicht abgeneigt und verbohrt. Sonst hätte er ja gar keinen Internet-Anschluss. Das muss gewürdigt werden. Bushido aber hat keinen Respekt vor Menschen, die Ihm den Weg geebnet haben. Sprich auch von älteren Menschen. Und das ist seine, vom Landgericht bestätigte Botschaft an die Jungen: Rücksichtslosigkeit und Niederträchtigkeit. Nur das Geld zählt.

    Wenn sich der alte Herr nicht so gut auskennt mit Verschlüsselung, usw.. Was solls. Er hat guten Willen gezeigt. Warum hilft Ihm Bushido nicht einfach dabei sein Internet einzurichten anstatt ihn zu verklagen. Wahrscheinlich kann Bushido das ja auch nicht. Warum zahlt Bushido dem alten Mann dann keinen IT-Spezialisten, so dass er keine 50.000 € "Schaden" erleiden muss. Das wäre in meinen Augen vorbildhaft gewesen. Statt dessen verschwendet Bushido Zeit um den alten Mann zu demütigen. Oder sollen sich doch die Provider und die Hersteller von Routern des Problems annehmen oder diese zur Haftung herangezogen werden. Vielleicht war das W-LAN des alten Herren ja verschlüsselt und wurde nur geknackt. Autos werden ja auch nicht ohne Schloss und Schlussel verkauft. Bei Kreditkartenmissbrauch haftet eine Versicherung. Vorsätzlich hat der ganz bestimmt nichts angestellt.

    Da braucht sich die Industrie nicht zu wundern, wenn ältere Menschen (man bedenke den Markt der immer älter Werdenden) keine Lust mehr haben, sich auf irgendwelche ruinösen Abenteuer einzulassen. Selbst schuld, wenn sich sowas rumspricht.

    Ich fordere hiermit alle auf die Musik von Bushido zu boykottieren, um eine Art von Gerechtigkeit wieder herzustellen, die von unserem modernen Rechtsstaat mit Füßen getreten worden ist.

  • W
    willy

    @ onkelklaus!

     

    Nicht die TAZ stellt ihn als notorischen Kriminellen dar, sondern DPA.

    Nur mal so zum nachlesen:

     

    www.justiz.nrw.de/Presse/dpa_ticker/DPA_16073/index.php

     

    Ansonsten finde ich das Urteil im Gegensatz zur Content-Mafia skandalös! Ich stimme mit Serkan voll überein, der Vergleich mit dem ungesicherten Fahrrad trifft es auf den Punkt! Kann man genauso auf ein geklautes Auto und dem damit verübten Bankraub ausdehnen. Soll ja gar nicht so selten sein!

  • S
    Serkan

    So ein armes Würstchen unser Gangsta Rapper Bushido. Verklagt 3 kleine Computerbesitzer. Muss es ja ganz schön nötig haben der böse Bube.

    Auf Heise.de stand ein schöner Vergleichstext zu nicht ausreichend gesicherten WLAN Verbindungen.

     

    Ist man ebenso strafbar wenn man sein Fahrrad nur unzureichend abschliesst und dieser von einem Bankräuber auf der Flucht geklaut wird. Evtl. gibt es Mitschuld am Bankraub ;-)

     

    Ich frag mich nur wieso bei Privatpersonen offene WLAN Verbindungen strafbar sind. Aber in Hotels, Flughäfen oder Cafes es gestattet ist. Wer wird in solchen Fall verklagt, wenn sich jemand über so ein offenes WLAN Musikdateien herunterlädt.

  • M
    Martin

    Der Bericht ist teilweise falsch, denn die Personen werden beschuldigt, die Musik zum Download angeboten zu haben und nicht sie heruntergeladen zu haben.

     

    Der Download ist eben nicht verboten, sondern nur der Upload. Vermutlich wurden - wie bei Tauschbörsen üblich - die Musikdateien nach dem Download den anderen Usern wieder zur Verfügung gestellt. Das ist der Knackpunkt.

  • O
    onkelklaus

    Ich bin ein Gegner dieser Abmahnwut, die zurzeit bei unerlaubten Vervielfältigungen herrscht, stelle mir aber die Frage, wieso soll Bushido nicht das Recht haben seine Rechte durchzusetzen? Sie stellen ihn als notorischen Kriminellen dar, der den Mund halten soll wen es um seine eigenen Rechte geht. Zumindest impliziert dies meiner Meinung nach die wiederholte Aufzählung seiner Vergehen. Von denen einige rechtlich überhaupt nicht belangbar sind, wie z.B. frauenfeindliche Äußerungen. Der Artikel erinnert sehr an Ihre neuen Nachbarn an der Ecke Rudi-Dutschke-Straße, denn es wird auch noch darauf hingewiesen, dass Bushido einen islamischen Namen trägt, Gangsta-Rap macht, jugendgefährdende Musik verbreitet und in Schlägereien verwickelt war. Das kann ja alles sein, doch was hat es mit dem aktuellen Fall zu tun? Ausserdem ist die Rechtssprechung längst nicht mehr so eindeutig was das offene WLAN angeht, in letzter Zeit gab es auch anderslautenden Urteile, die genau das Gegenteil sagten.

    Im Übrigen finde ich es lächerlich, dass wegen ein oder zwei Liedern überhaupt ein Verfahren angeleiert wurde, im Normalfall wird sowas wegen Geringfügigkeit eingesteltt.

  • RO
    Richard Ostwald

    Ich frage mich, wann endlich damit aufgehört wird, unterbelichtete, großmäulige Wichte wie Bushidiot & Konsorten als "Künstler" zu bezeichnen ...

  • D
    deine_mutter

    Das Urteil ist wohl ein Hohn.

    Was ist das denn für ein Rechtsstaat in dem man für etwas verurteilt wird was andere gemacht haben.

  • I
    imperialfrost

    Das wird sicherlich nicht der letzte Prozess sein.

    Vielleicht tut sich ja auch sowas wie ein Fond fuer die Opfer (also den Taetern) auf, wie in Amerika, als FSF (http://www.fsf.org) sowas gemacht hat. Konnte da nun keine Hinweise mehr auf der Homepage finden.

  • SL
    Sonnengebräunter Linksfahrer

    Verurteilung aus Prinzip. Die Anklagen auf Verletzung geistiger Eigentumsrechte erinnern sehr an die Hexen- und Teufelsanbet-Anklagen des Mittelalters. Die Nichttat spielt keine Rolle. Der Schuldspruch ist politisch intendiert und unabwendbar. So macht Rechtstaat wieder Spaß.

  • PM
    Pontifex Maximus

    illegale Tauschbörsen?

     

    es gibt keine illegale Tauschbörsen, nur illegalen Content