Prozess gegen "Sauerland"-Terroristen: Bundesanwalt vom Schaudern erfasst
Die "Sauerland"-Gruppe hätte einen Massenmord unvorstellbaren Ausmaßes geplant, so der Chefankläger in seinem Plädoyer vor dem Gericht in Düsseldorf. Trotz der Geständnisse zeigten sie keine Reue.
DÜSSELDORF taz | Mit regungsloser Miene verfolgen die Angeklagten das Plädoyer der Bundesanwaltschaft. "Von der Dimension der Gefahr her einmalig" in der Bundesrepublik seien die Anschlagspläne des Islamistenquartetts gewesen, sagt Chefankläger Volker Brinkmann mit ruhiger Stimme. Ihr "verqueres religiöses Denken, gepaart mit einem unbändigen Hass auf amerikanische Soldaten", hätten Fritz Gelowicz, Adem Yilmaz, Daniel Schneider und Attila Selek dazu gebracht, ein furchtbares Blutbad verüben zu wollen, rekapituliert Brinkmann.
Seit April des vergangenen Jahres läuft vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht der Prozess gegen die vier verhinderten Dschihadisten, die als Sauerland-Gruppe Schlagzeilen machten. Mit dem gestrigen Beginn des auf zwei Tage angesetzten Plädoyers der Bundesanwaltschaft ist das Aufsehen erregende Verfahren vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht in die Schlussrunde eingebogen.
Dass der Prozess schneller als geplant zu Ende geht, liegt an den Geständnissen, die die zwischen 24 und 31 Jahre alten Männer abgelegt haben. Als "absolute Ausnahme" in Strafprozessen um islamistischen Terrorismus bezeichnete Brinkmann ihre umfangreichen Einlassungen. Von Reue getragen seien sie jedoch nicht, betonte er. Vielmehr hätten sie sich "eine Strafmilderung erkaufen" wollen.
Deutsche Behörden haben niemals zuvor eine so detaillierte Beschreibung der Genese eines geplanten Anschlags erhalten. Ausführlich schilderten die in der Bundesrepublik geborenen oder aufgewachsenen jungen Männer ihren Weg in den "heiligen Krieg": von ihrer Radikalisierung nach dem 11. September 2001, den Reisen unter anderem nach Mekka und Teheran in ein Ausbildungslager der Islamischen Jihad Union (IJU) im pakistanischen Waziristan.
Dort soll ihnen vorgeschlagen worden sein, Anschläge in der Bundesrepublik zu verüben. Als Begründung habe ihnen die IJU angegeben, so Fritz Gelowicz, dass sich hier "mit viel weniger Aufwand ein viel größerer Schaden anrichten" lasse. "Das Hauptziel sollten amerikanische Soldaten in Deutschland sein", berichtete er im Sommer vergangenen Jahres emotionslos.
Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland planten die vier mutmaßlichen Terroristen nach eigenen Angaben mehrere Autobombenanschläge. Zeitgleich wollten sie in Kneipen, Diskotheken und auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein möglichst viele Menschen töten. Ihre Anschlagsvorbereitungen löst bei Bundesanwalt Brinkmann "auch heute noch Schaudern aus". Die drei Fässer des hochexplosiven Wasserstoffperoxids, das sie zum Bombenbau benutzen wollten, hätten einer Sprengkraft von 100 Kilogramm TNT entsprochen.
Im September 2007 wurden Gelowicz, Schneider und Yilmaz in einer spektakulären Polizeiaktion in einem Ferienhaus im sauerländischen Medebach-Oberschledorn festgenommen. Selek wurde zwei Monate später im anatolischen Konya gefasst.
Auch wenn ihre Planungen mörderisch waren, war die reale Gefahr, die von der Sauerland-Gruppe ausging, nicht besonders groß. Bevor es festgenommen wurde, war das Quartett monatelang observiert worden. Die Wasserstoffperoxidlösung tauschten Ermittler gegen eine harmlose Ersatzflüssigkeit aus.
Die Bundesanwaltschaft wirft den vier Angeklagten die Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung, die Vorbereitung eines Sprengstoffverbrechens sowie Verabredung zum Mord vor. Ihre Strafmaßforderung will die Bundesanwaltschaft erst heute stellen. Mit dem Urteil ist Anfang März zu rechnen.
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