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Prozess gegen Liberias Ex-Staatschef144 Zeugen gegen Charles Taylor

In Den Haag wird der Prozess gegen Charles Taylor wegen grausamer Verbrechen in Sierra Leone fortgesetzt. Taylor lehnt jegliche Verantwortung ab.

Keine Immunität mehr: Prozess gegen Liberias Ex-Staatschef Charles Taylor. Bild: ap

Nach einer mehrmonatigen Pause ist gestern der Prozess gegen den ehemaligen Staatschef Liberias, Charles Taylor, vor dem Internationalen Kriegsverbrechertribunal für Sierra Leone wieder aufgenommen worden. Das Sondertribunal hat seinen Sitz eigentlich in Sierra Leones Hauptstadt Freetown, verhandelt gegen Taylor aber in Den Haag aus Angst, ein Prozess in Sierra Leone selbst könnte dort neue Gewalt schüren. Als erster Zeuge wurde Ian Smillie vernommen, ein kanadischer Experte für den internationalen Handel mit sogenannten Blutdiamanten. Smillie hatte im Minengebiet im Osten Sierra Leones gelebt, im Auftrag der Vereinten Nationen den Zusammenhang zwischen dem illegalen Diamantenhandel und Kriegen in Westafrika untersucht. Er bestätigte dem Gericht, dass der Diamantenhandel den Krieg in Sierra Leone beflügelte.

Die Verhandlung war im August vergangenen Jahres unterbrochen worden, weil Taylor seinen bisherigen Anwalt entlassen und dessen Nachfolger um Zeit zur Einarbeitung gebeten hatte.

Der 59-jährige Taylor, ehemaliger liberianischer Kriegsfürst und Staatschef des kleinen westafrikanischen Landes, sieht sich elf Anklagepunkten gegenüber: unter anderem Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Massenmord, sexuelle Versklavung, Einsatz von Kindersoldaten, Brandschatzung und Plünderung.Der 59-jährige hatte sich zu Prozessbeginn im Juli vergangenen Jahres vorab für unschuldig erklärt.

Taylor soll von Liberia aus während des Bürgerkriegs im Nachbarland Sierra Leone von 1991 bis 2001 die "Revolutionäre Einheitsfront" (RUF) in Sierra Leone mit Geld und Waffen versorgt und im Gegenzug Diamanten erhalten haben. Um eine Verurteilung zu erreichen, muss die Anklage beweisen, dass Taylor die Kontrolle über die Rebellengruppe hatte, die dafür berüchtigt war, ihre Opfer grausam zu verstümmeln, also für deren Verbrechen unmittelbar verantwortlich zu machen ist. Eben das wird die Verteidigung bestreiten. Nach Aussagen von Taylors Anwalt geht es ihr nicht darum, die begangenen Verbrechen in Frage zu stellen, sondern die Verantwortlichkeit des Angeklagten. Auch deshalb protestierte die Verteidigung gestern gegen die Anhörung des zweiten Zeugen, eines Opfers der Verstümmelungen. Dessen Schilderungen, so die Verteidigung, seien zur Aufklärung des Sachverhaltes nicht notwendig und würden nur das Verfahren emotionalisieren, argumentierten die Verteidiger. Falsch, sagt Chefankläger Stephen Rapp: "Wir schulden es den Opfern, zumindest einige Zeugenaussagen anzuhören." Taylors Anwalt hingegen kritisierte die Vorladung von Bürgerkriegsopfern als Zeugen der Anklage grundsätzlich.

Ein Aufgebot von insgesamt 144 Zeugen hat die Anklagebehörde zusammengestellt. Darunter soll sich ein ehemaliger Rebellen-General und einige enge Vertraute Taylors während seiner Amtszeit befinden, die in seinem Auftrag in Sierra Leone wie in Liberia unterwegs gewesen sein sollen. Sie sollen offenbar darüber Auskunft geben, wie genau Taylors Kontrolle über die Milizen der RUF aussah. Stephen Rapp hält die Beweise gegen Taylor für solide und eine Verurteilung des Angeklagten für sicher.

Der Prozess gilt unter Völkerrechtlern als wegweisend. Für den Prozess gegen Taylor wurde das Hindernis der Immunität offiziell aus dem Weg geräumt. Die Immunität von Staats- und Regierungschefs gelte vor internationalen Strafgerichten grundsätzlich nicht, beschieden die Richter beim UNO-Sondergericht in Sierra Leone. Charles Taylor regierte Liberia von 1997 bis 2003, bevor er ins Exil nach Nigeria ging.

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