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Prozess gegen Haasenburg-ErzieherBewährungsstrafe wegen Missbrauch

Ein Erzieher der berüchtigten Haasenburg-Heime soll mit einer 15-Jährigen Sex gehabt haben. Er wurde zu eineinhalb Jahren Haft auf Bewährung verurteilt.

Geständig: der Angeklagte hinter einem Ordner. Bild: dpa

LÜBBEN dpa | Wegen sexuellen Missbrauchs soll ein Erzieher der geschlossenen Haasenburg-Heime in Brandenburg eine Bewährungsstrafe von eineinhalb Jahren erhalten. Das forderte die Staatsanwaltschaft Cottbus nach einem Geständnis des 29-Jährigen am Dienstag. Zudem soll der Mann eine Geldauflage von 1000 Euro zahlen.

Der Angeklagte hatte unter Ausschluss der Öffentlichkeit vor dem Amtsgericht Lübben zugegeben, im November 2013 zu einer Heimbewohnerin eine sexuelle Beziehung gehabt und mehrfach mit ihr geschlafen zu haben. Es habe sich um eine „Art Liebesverhältnis“ zu der 15-Jährigen gehandelt, hieß es im Plädoyer von Staatsanwältin Jessica Hansen.

Auf eine Vernehmung der Zeugin wurde nach dem Geständnis verzichtet. Ein Urteil sollte noch am Vormittag verkündet werden.

Der Haasenburg GmbH war im Dezember 2013 die Betriebserlaubnis entzogen worden. Die Staatsanwaltschaft Cottbus prüft in rund 50 Verfahren Vorwürfe gegen Erzieher und Betreiber wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen und Körperverletzung.

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19 Kommentare

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  • Hier wurde ein traditionelles Rollenmuster auf etwas angewandt, was nichts weiter als sexuelle Ausbeutung unter Ausnutzung eines Machtverhältnisses ist

    http://www.seele-und-gesundheit.de/diagnosen/sadomasochismus.html

    (5.1.1. Geschlechtsspezifische Rollen)

     

    Schlimm. Ich hatte gehofft, unser Gerichtspersonal sei schon weiter.

     

    Angelika Oetken, Berlin-Köpenick, eine von 9 Millionen Erwachsenen in Deutschland, die in ihrer Kindheit und/oder Jugend Opfer schweren sexuellen Missbrauchs wurden

  • Das hat mit der Erfahrung und der Hirnreife eines Menschen zu tun. Da zwangsläufig der durchschnittlich entwickelte Erwachsene hier in der Machtstellung ist vom Wissens- und Erfahrungsschatz, so wie von der geistigen Entwicklung her und den Handlungsmöglichkeiten, ist unabhängig vom individuellen Empfinden eine Beziehung auf Augenhöhe nicht gewährleistet, nicht möglich. Wenn ich als erwachsener mich zu einem/einer Jugendlichen hingezogen fühle, müsste ich bei echtem Interesse diese Tatsache genauso beachten wie um das Recht des Minderjährigen willen auf körperliche und geistige Unversehrtheit. Zum Glück sind wir in unserer Gesellschaft theoretisch nicht auf die Fairness von mächtigeren Gegenübern angewiesen.Ich denke ich verstehe was sie meinen- Kinder, Jugendliche und Erwachsene können aber schlicht nicht gleichgesetzt werden, außer im Recht um die Unversehrtheit.

    Der Artikel der hier anschließend über den Fall/das Verfahren berichtet macht den sexuellen Missbrauch so eindeutig erkennbar, dass es keiner Erklärung bedürfe, alle, aber auch alle Merkmale eines Missbrauchsverhältnisses von Täter zu Opfer sind erfüllt und nichts davon wird im Rechtsspruch als solches benannt. Das müsste bedeuten, dass die Rechtssprecher auf den Lolita-Mythos stehen und der Geilheit lieber nachgeben, anstatt junge Menschen in Ihrem Recht anzuerkennen. Noch schlimmer ist, dass alle Beteiligten des Systems mit einstimmen – scheiß auf die Seelen und Körper von jugendlichen Menschen.

  • Passt! Für Steuerhinterziehung wäre er eingefahren.

  • Ist es nicht relativ egal, wie hoch das Urteil ausfällt? Unrecht muss nur als Unrecht anerkannt werden. Nun steht der Übeltäter ganz offiziell bloßgestellt dar. Die Presse berichtet. Andere sind gewarnt. Warum mehr erwarten?

     

    Den "Opfern", die hoffentlich immer weniger "Opfer" sind, weil sie ihr Leben selbst in die Hand nehmen, möchte ich immer wieder sagen: "DIE BESTE RACHE IST EIN GUTES LEBEN..." Sucht es, ihr werdet es finden, auch wenn es alles andere als einfach ist.

    • @THG:

      Japp, genau so funktioniert das mit Traumata, einfach nich hinguckn und sich's gut gehen lassen.

      • @Marcus:

        @ MARCUS Damit meine ich nur: Es wäre eine Illusion gewesen, von Gerichtsurteilen Entlastung für „Opfer“ zu erwarten. Ich fürchte, dass man sich das aus dem Kopf schlagen kann, sich davon NICHT ABHÄNGIG MACHEN darf, denn man wird zwangsläufig enttäuscht.

         

        Von „einfach nich hinguckn“ habe ich nicht gesprochen… Ganz im Gegenteil! Was machen wir denn hier? Mein Kommentar ist natürlich eine Verkürzung. Das geht hier nicht anders. Ich möchte nur andeuten, dass es – so furchtbar schwer es angesichts der Ungeheuerlichkeiten ist – immer einen Weg, AUSWEG gibt und ein POSITIVES ZIEL GEBEN MUSS (s. auch meine früheren Kommentare zum Thema).

    • @THG:

      Ein Urteil dient nicht nur der Strafe für den Einzelnen, es dient außerdem als Signal an die Gesellschaft. Das Signal, das von diesem Urteil - wieder einmal - ausgeht, ist, dass sexueller Machtmissbrauch (denn etwas anderes ist es nicht, schließlich befindet sich ein erwachsener Erzieher in einer deutlichen Machtposition gegenüber einer minderjährigen Heimbewohnerin/"Elternlosen"!!) nicht so schlimm ist und in den meisten Fällen sowieso die Opfer mitmachen, bzw. es auch wollen. So leben die alten "Lolita"-Klischees fröhlich weiter und in jedem neuen Fall hat es jedes neue Opfer erneut schwer, gegen diese ganze Vorurteilskacke anzugehen. Ist es denn wirklich zuviel verlangt, dass sich deutsche Gerichte über den aktuellen Forschungsstand und die Zusammenhänge beim Thema sexueller Machtmissbrauch informieren???

      • @Lilly Maier:

        Sie haben natürlich Recht, es ist nicht einmal „relativ egal“, wie hoch das Urteil ausfällt. Leider hatte ich nichts anderes erwartet…

  • im Lande herrscht ein merkwürdiges Verhältnis über Sex mit Minderjährigen, ein Lehrer wird freigesprochen, den Sex mit der minderjährigen Schüler kann ihm nicht angelastet werden, weil er nur Vertretungslehrer war, jetzt dieses Schmeichelurteil es hatte sich um ein Art Liebesverhältnis gehandelt, erinnert mich irgendwie an dei Goldie??, die zum Thema Polanski sagte: ja das war keine Vergewaltigung, das war irgend etwas anderes, zwicks me, bitte zwicks me!

  • Ich kann Lilly Maier nur zustimmen.

    Wenn ich die Folterberichte aus der Hasenburg gelesen haben und nun die kumpanenhaften Mini-Sträfchen dazu sehe steigt in mit wilde Wut auf.

    Die sich selbst zu Eliten ernannten Leute einschl. Beamte und Richter gehören davon gejagt. Nach 1945 haben sie alle bequem weiter machen dürfen, obwohl sie das NS-Regime voll getragen haben.

    • @Rainer Pakosch:

      Ihr seid ja alle vollkommen gehirngewaschen.. Als ob 15-Jährige nichts über Liebe und Sex wissen könnten.. Das mit der Abhängigkeit ist ein Argument, aber Nazi- und Foltervergleiche, geht's noch?!

       

      Das Urteil ist scheinheilig, ist doch, wo nicht gerade die Moralkeule geschwungen wird, ein Mensch dieser Justiz normalerweise kaum was wert; vergleicht das mal mit dem hier:

      https://de.wikipedia.org/wiki/Eisenbahnunfall_von_Hordorf#Gerichtsverhandlung

      • @Informatiker:

        ganz klar, man behandelt Heranwachsende einfach wie Erwachsene-also schaffen wir auch einfach das Jugendstrafrecht ab und verhandeln 15 jährige nach Erwachsenenrecht!

      • @Informatiker:

        Zitat: "Als ob 15-Jährige nichts über Liebe und Sex wissen könnten..."

         

        Wikipedia: „Der Begriff "informed consent" wurde in den 1980er Jahren maßgeblich vom amerikanischen Autor David Finkelhor als Begründung für eine generelle Ablehnung von Sex mit Kindern eingeführt. Er beschreibt, dass Kinder und teilweise Jugendliche zwar willentlich in sexuelle Handlungen einstimmen können, dabei aber nicht die Tragweite einer solchen Zustimmung überschauen. Demnach stimmten sie der Handlung nicht wissentlich (informiert) zu, unabhängig davon, wem sie zustimmen.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Informierte_Einwilligung)

        • @Lilly Maier:

          Danke für den Link.

          Eben: "_teilweise_ Jugendliche". Was noch fehlt ist "teilweise auch Erwachsene". Manche geistig Behinderte z.B.

          Und? Wollen wir jetzt Sex generell verbieten?

  • So sieht es bei deutschen Gerichten immer noch aus! Qualifiziertes Fachwissen (z.B. bzgl. der mangelnden Fähigkeit Minderjähriger zur "informierten Zustimmung", Stichwort: "informed consent"!!) fehlt weit und breit, stattdessen werden weiter schön Mythen gepflegt, wie z.B. der einer "Liebesbeziehung" zwischen einem Erwachsenen und einer (abhängigen!) 15-Jährigen. Gesetze?? Was interessieren mich Gesetze! Forschung?? Was interessiert mich Forschung! Sexueller Machtmissbrauch wird bei deutschen Gerichten immer noch als Bagatelle gesehen, bzw. beurteilt, und Tätern wird noch immer sehr viel mehr Verständnis entgegengebracht als der REALEN Situation der Opfer. Wer sorgt endlich dafür, dass diese Berufsgruppen qualifiziert informiert, bzw. ausgebildet werden?????? Oder müssen Betroffene (Kinder wie Erwachsene) darauf noch weitere Jahrzehnte warten???????????

    • @Lilly Maier:

      Ein "Bagatelldelikt" sind 1,5 Jahre auf Bewährung sicherlich nicht. Sie können grob fahrlässig knapp am Vorsatz vorbei jemanden totfahren und werden ähnlich bestraft.

      Eine Differenzierung zwischen solchen Fällen und schweren Fällen von Kindesmissbrauch und Vergewaltigung

      ist sinnvoll. Eine Bagatellisierung wäre alles gewesen, was dem Lehrer erlaubt hätte, weiterhin als Lehrer tätig zu werden. Davon ist da Urteil sehr weit entfernt.

      • @Velofisch:

        Vergessen Sie es. Bei dem Thema brennen häufig Sicherungen durch. Am interessantesten ist, dass hier der Vorwurf erhoben wird, dem Gericht fehle das nötige Fachwissen. Ich wette, diejenigen, die hier das Urteil kritisieren, haben keine Informationsquelle außer diesem Artikel. Keine Anlageschrift gelesen, keinen anwaltlichen Schriftsatz, keine Sekunde bei der Verhandlung dabei gewesen, aber per Ferndiagnose dem Gericht Unkenntnis vorwerfen. Ganz großes Kino. Und dass dann der Vergleich mit der Nazizeit nicht fehlen darf, war natürlich auch klar. Welch ungeheure Relativierung der Naziverbrechen hierin liegt und gleichzeitig unglaubliche Beleidigung der handelneden Richter/Staatsanwälte müßte jedem einigermaßen normal denkenden Menschen klar sein.

        • @Sophokles:

          Ich bin ausgebildet und studiert im Bereich Kinder-/und Jugendbildung/-erziehung und es ist in den Entwicklungs-/und Sozialwissenschaften hinreichend erforscht und belegt, dass der Entwicklungsstand eines/einer Jugendlichen nicht mit einem/einer Erwachsenen zu vergleichen ist. Sie (Kommentatoren) müssten sich auch weiterentwickelt haben während und nach Ihrer Pubertät!? - ich nehme an hier zu kommentieren nützt nicht viel aber ich hoffe, dass meine Sicherungen nicht aufhören zu glühen bei dieser Thematik- dem Missbrauch von Schutzbefohlenen.

          • @Weller:

            Dem würde ich widersprechen. "Nicht zu vergleichen" ist ein hartes Urteil.

            Letztlich kann man nicht alle über einen Kamm scheren: es gibt sehr vernünftige und besonnene Jugendliche und sehr unreife und infantile Erwachsene.

            Natürlich entwickelt man sich immer weiter, aber das berechtigt niemanden, Jugendlichen einfach pauschal das notwendige Verständnis von Sexualität abzusprechen.