Prozess gegen Ex-Post-Chef beginnt: Milde gegen Reue
1,2 Millionen Euro Steuern hat Klaus Zumwinkel hinterzogen. Am Donnerstag beginnt der Prozess gegen den ehemaligen Chef der Deutschen Post.
Niemand ist im vergangen Jahr gesellschaftlich so tief abgestürzt wie Klaus Zumwinkel. Als im Morgengrauen des 14. Februar 2008 Ermittler der auf Wirtschaftskriminalität spezialisierten Schwerpunktstaatsanwaltschaft Bochum an seiner Villa im Kölner Nobelvorort Marienburg klingelten, war der Ruf des Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Post dahin. Kameras des ZDF waren live dabei, als der Träger des Bundesverdienstkreuzes abgeführt wurde. Steuern in Höhe von rund 1,2 Millionen Euro habe der einstige "Manager des Jahres" über Stiftungen in Liechtenstein hinterzogen, lautete der Vorwurf. Nur einen Tag später trat Zumwinkel als Postchef zurück. Auch aus den Präsidien des Bundesverbands der Deutschen Industrie und der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände schied er aus.
Rechtsanwalt Rainer Kullen zum Steuerstrafprozess gegen Klaus Zumwinkel
taz: Sind Sie gespannt auf das Urteil über Klaus Zumwinkel?
Rainer Kullen: Überhaupt nicht. Das steht vermutlich schon fest. Wenn für einen Steuerprozess nur zwei Verhandlungstage geplant sind, dann hat es offensichtlich schon eine Absprache zwischen Angeklagtem und Gericht gegeben: Herr Zumwinkel gesteht und bekommt dafür eine relativ milde Strafe.
Was heißt "relativ milde"?
Ich gehe davon aus, dass Herr Zumwinkel zu eineinhalb bis zwei Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt wird. Hinzu kommt eine Bewährungsauflage, die nach bisheriger Praxis in Bochum 200 Prozent der hinterzogenen Steuern beträgt, also etwa 1,9 Millionen Euro.
Höhlen solche Deals zwischen Gericht und Angeklagtem nicht das Vertrauen der Bürger in die Strafjustiz aus?
Ich finde, wir sollten den Begriff "Deal" vermeiden. Er klingt so, als ob da etwas Unlauteres passiert. Ich spreche lieber von Absprachen, die ich auch für legitim halte. Ein Geständnis hat sich schließlich schon immer strafmindernd ausgewirkt. Und dass einem Angeklagten das Geständnis leichter fällt, wenn er weiß, was ihm das an Strafminderung bringt, liegt auf der Hand. Außerdem kann eine unnötig lange Verfahrensdauer vermieden werden.
Sie halten die vermutliche Strafe für Zumwinkel also für schuldangemessen?
Ja, eine Bewährungsstrafe bis zu zwei Jahren wäre völlig im Rahmen. INTERVIEW: CHRISTIAN RATH
Ab Donnerstag muss sich Zumwinkel vor der Zwölften Großen Strafkammer des Bochumer Landgerichts verantworten - und wird doch weich fallen. Insider berichten hartnäckig von einem Deal der Ermittler mit den Anwälten des Exmanagers. Milde gegen Reue, so laute das Geschäft auf Gegenseitigkeit. Knapp zwei Jahre Haft auf Bewährung, dazu eine Geldstrafe in Millionenhöhe, das seien die Eckpunkte des Urteils, das der Vorsitzende Richter Wolfgang Mittrup nach nur zwei Prozesstagen bereits am 26. Januar verkünden will.
Zwar dementieren Staatsanwaltschaft wie Gericht jeden Deal. "Kontaktaufnahmen zwischen Staatsanwaltschaft, Gericht und Verteidigung sind doch völlig normal", sagt Gerichtssprecher Volker Talarowski aber auch.
Dabei hat der Bundesgerichtshof die Strafen für Steuerhinterzieher erst Anfang Dezember empfindlich verschärft. Bei einem Steuerschaden von mehr als 1 Million Euro müsse eine Gefängnisstrafe ohne Bewährung die Regel sein, urteilten die Richter in einer Grundsatzentscheidung, mit der sie auf ein erstes mildes Urteil, das in Bochum bereits im Sommer zu einem der über 450 anhängigen Liechtenstein-Verfahren fiel, reagierten.
Doch fast gleichzeitig mit dieser Entscheidung erklärte das Gericht einen Teil der gegen den Ex-Postchef erhobenen Vorwürfe für verjährt. Ein Ermittlungsrichter habe einen entscheidenden Durchsuchungsbeschluss zwölf Stunden zu spät unterschrieben. Die zu verhandelnde Steuerhinterziehung im Fall Zumwinkel reduziere sich damit von 1,18 Millionen auf 966.000 Euro. Völlig grundlos demontierten sich kurz darauf auch die Ermittler der Bochumer Staatsanwaltschaft selbst: In einem beispiellosen Kleinkrieg warf Bochums Leitender Oberstaatsanwalt Bernd Schulte seiner Staatsanwältin Margrit Lichtinghagen - der Frau, die Zumwinkel abführen ließ - Mauscheleien bei der Vergabe von Bußgeldern vor. Lichtinghagen konterte mit gleichlautenden Vorwürfen an Schulte, ließ sich aber entnervt versetzen, dementiert aber wie ihre Nachfolger Gerrit Gabriel und Daniela Wolters jeden Deal mit der Verteidigung.
Dabei dürfte allein diese Abmachung Zumwinkel wie die restlichen Beschuldigten der Liechtenstein-Verfahren davon abhalten, die Rechtmäßigkeit der Beweise der Staatsanwaltschaft anzuzweifeln: Schließlich beruhen die Ermittlungsergebnisse der Bochumer auf gestohlenen DVDs mit Daten der exklusiven Liechtensteiner Privatbank LGT. Über 4 Millionen Euro hatte der Bundesnachrichtendienst seinem abgetauchten Informanten Heinrich Kieber dafür gezahlt.
Zumwinkel aber darf auch in einem weiteren Verfahren auf Milde hoffen. Zwar gilt er im Telekom-Datenskandal um die Bespitzelung von Aufsichtsräten und Gewerkschaftern durch das einstige Staatsunternehmen weiter als Beschuldigter, doch "ein Ende der Ermittlungen" sei "noch nicht abzusehen", so der Bonner Oberstaatsanwalt Fred Apostel zur taz. Noch sei nicht sicher, ob der Exaufsichtsratschef überhaupt angeklagt werde. Höchstens sechs Monate drohten Zumwinkel aus diesem Verfahren, ist in Bonn zu hören.
Die Freiheit in Einsamkeit wird ihm bleiben. Seinen letzten Aufsichtsratsposten bei dem Essener Einzelhandelsriesen Arcandor hat Zumwinkel zum 31. Dezember niedergelegt. Was auch bleibt, ist die Pension: mindestens 93.000 Euro im Monat.
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