: Provinz Pulp Fiction
Ein Polizeifilm alter Schule trifft auf die neuen Bundes-länder: „Eine Stadt wird erpresst“ (20.40 Uhr, Arte)
Eine Stadt wird erpresst – und ein Dorf ist verdächtig. Als in Leipzig ein Strommast gesprengt wird, gehen stadtweit die Lichter aus. Die Attentäter haben zielsicher einen neuralgischen Punkt der Stromversorgung getroffen. Ihre Drohung, durch weitere Sprengsätze die komplette Logistik der Stadt zu zerstören, sorgt entsprechend für Aufruhr bei der Polizei: Prompt wird der Forderung, 20 Millionen Euro in Diamanten als Lösegeld zu zahlen, nachgekommen. In einer nervenzehrenden Schnitzeljagd durch die Stadt treiben die Erpresser die Polizei vor sich her, bis sie die Diamanten haben – und sich die Polizisten in der Provinz wiederfinden. Ist es Zufall, dass alle Spuren in ein kleines Dorf führen, das davor steht, dem Braunkohleabbau geopfert zu werden?
Eine Fülle von Perspektivwechseln bestimmt die neueste Zusammenarbeit von Autor Rolf Basedow und Regisseur Dominik Graf („Hotte im Paradies“). Wo Graf in seinen „Polizeirufen“ bislang die Vielschichtigkeit einer Stadt untersucht hat, wird diesmal hart das Dorf dagegen geschnitten. Wo die Jagd durch Leipzig an Tempo kaum zu überbieten ist, nehmen Graf und Basedow in der Peripherie abrupt den Fuß vom Gas. Wo die Dorfgemeinschaft seltsam geschlossen agiert, treten die Ermittler als Einzelkämpfer auf.
Uwe Kockisch spielt den Einsatzleiter Dietrich Kalinke, einen alternden Kommissar mit krummer Ostbiografie, der ihm sehr viel besser steht als der brave Commissario Brunetti. Ihm zur Seite gestellt sind Julia Blankenburg und Misel Maticevic, die ihre Nachwuchsermittler mit viel Draufgängertum ausstatten – was wiederum von Kalinke väterlich gezügelt wird.
Zusammengehalten wird diese sperrige Mischung durch die grobkörnige, konstraststarke Ästhetik, die an die Polizeifilme der 60er-Jahre erinnert. Die klassische Erzählstruktur vermengt sich so mit der Vergangenheitsfixiertheit des Dorfes. In grellen Farben leuchten dabei die Haare der Frauen auf – seien es Perücken oder Echthaar. Wie fast schon üblich in ihren Filmen verwischen Basedow und Graf mit solch einfachen Mitteln die Grenzen zwischen Unterwelt und Staatsapparat. Rotlicht taucht bei ihnen die Menschen nicht in anderes Licht, es wirft nur andere Schatten.
Der Pulp-Fiction-Appeal führt diesmal aber in die Irre. Ein paar Dorfbewohner erstrahlen als Silhouetten im grellen Gegenlicht des lokalen Bordells, eine kecke Tochter des Ortes zeigt ihren schwarzen Schlüpfer. Ansonsten konzentriert sich der Film aber auf die Ermittler und belässt es dabei, die Wendegeschichte des Dorfes als Subplot zu erzählen. Zurück bleiben Szenen, die wie bei einem Memory-Spiel, in dem es keine Paare gibt, aufgedeckt, aber nicht zugeordnet sind.
Hannah Pilarczyk