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Archiv-Artikel

Prousts „Recherche“ lesen

betr.: „Erste Regierungskrise“, taz vom 1. 6. 05

„Wir müssen ehrlich sein“, verkündete Frau Merkel. Ob sie vorher Prousts „Recherche“ gelesen hat? Wohl nicht. Denn dort hätte sie erfahren können: „Proklamiert zu haben (als Führer einer politischen Partei oder was sonst immer), dass es abscheulich ist zu lügen, zwingt in der Mehrzahl der Fälle dazu, mehr als die anderen zu lügen, ohne dass man deswegen die feierliche Maske oder die erhabene Tiara der Gesinnungstreue ablegen darf.“ Wenn wir Merkels Forderung auf diese Weise mit Proust dechiffrieren, wissen wir also, nach welchen Maßstäben wir ihre Aussagen im anstehenden Wahlkampf zu bewerten haben werden. SVEN KORZILIUS, Berlin