Protestsymbolschöpfer: Der Mann hinter der Schäublone
Dirk Adler hat dem Protest gegen Vorratsdatenspeicherung ein Symbol gegeben: die Schäublone. Dabei ist der Medieninformatiker eigentlich kein großer Aktivist.
Hinter scharfen Waffen verbergen sich manchmal die ruhigsten Typen. Dirk Adler ist so einer. Brille, blaue Jacke, überlegte Sätze. "Die Schäublone drückt visuell eine Meinung aus", sagt er. "Es geht darum, dass Angst ein schlechter Ratgeber ist." Die Schäublone ist ein Schattenriss des Innenministers, eine Sprühschablone. Dahinter steckt Adler. Er hat ein Protestsymbol geschaffen und eine Erfolgsgeschichte.
Auf einer Bloggerkonferenz im Frühjahr in Berlin konnten SMS zum Thema Überwachung auf eine Leinwand geschickt werden. Irgendwer schrieb "Stasi 2.0". Als Dirk Adler davon hörte, fand er den Begriff gut. Er verband frühere Überwachung mit neuer Netzwelt. "Es hat Klick gemacht." Nun musste ein Bild her, eine Personalisierung.
Adler, 34, ist eigentlich kein großer Aktivist. Der Medieninformatiker gestaltet Webauftritte für kleine Firmen oder bastelt multimediales Material für den Geschichtsunterricht. Aber er fand die Medienpräsenz des Ministers mit seinen Vorschlägen zur Terrorbekämpfung krass und wollte sie kommentieren. Er lud ein Schäuble-Bild runter und setzte sich mit dem Laptop an den Küchentisch in seiner Wohnung im Berliner Bezirk Prenzlauer-Berg. Nach zwei, drei Stunden war die Silhouette fertig. Adler stellte sie ins Netz, Blogger setzten Links und Seiten, die sich mit Bürgerrechten beschäftigen, übernahmen die Grafik. Adler überzeugte den Online-Versand spreadshirt.de, T-Shirts mit der Schäublone anzubieten. Der Erlös von 11.000 Euro ging an den Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. Bei spreadshirt überholte die Schäublone Che Guevara.
Im Netz wurde diskutiert. Darf man Schäubles Politik mit dem DDR-Geheimdienst gleichsetzen? Verniedlicht die Anspielung die Stasi? Adler sagt, der Titel sei in Ordnung. Stasi 2.0 weise ja auf eine neue Version der technischen Überwachung. Er freute sich über die Diskussion. "Ich fands nur nicht gut, wenn es in verletzende Bereiche abrutschte. SS Schäuble oder eine Variante im Rollstuhl."
Die Schäublone ging ihren Weg. In München konfiszierten Polizisten bei einer Verkehrskontrolle ein Plakat mit ihr. Der Grüne Hans-Christian Ströbele klebte sie auf seinen Laptop - jedoch ohne Untertitel.
Adler ist gegen Onlinedurchsuchungen. Vor allem aber dagegen, dass Verbindungsdaten pauschal protokolliert werden, was der Bundestag am Freitag beschließen will. Die Speicherung kehre die Unschuldsvermutung um. Er kann sich auch vorstellen, dass die Daten abhanden kommen, dass die Behörden sie nicht im Griff haben. "Die Maut, die Technik der Arbeitsagenturen - trauen wir dem Staat technisch so viel zu?" Er lächelt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu