Proteste vor Kliniken erlaubt: Karlsruhe stärkt Abtreibungsgegner

Abtreibungsgegner dürfen auch im Umfeld von Abtreibungskliniken protestieren, entschied das Verfassungsgericht. Bedingung: Es dürfe kein Spießrutenlauf für Frauen entstehen.

Düsterer Protest: Aktion von Abtreibungsgegnern bei Villingen-Schwenningen. Bild: dpa

FREIBURG taz Das Bundesverfassungsgericht hat die Meinungsfreiheit von Abtreibungsgegnern gestärkt. Diese dürfen ihre anklagenden Flugblätter auch im Umfeld von Abtreibungskliniken verteilen. Ein Arzt müsse diese Form der öffentlichen Auseinandersetzung hinnehmen, abtreibungswillige Frauen dürften aber nicht belästigt werden.

Geklagt hatte der selbsternannte Lebensschützer Günter Annen, Jahrgang 1951 aus Weinheim/Baden-Württemberg. Schon seit Jahren protestiert er bundesweit vor Abtreibungskliniken und prangert Schwangerschaftsabbrüche als "Babycaust" an. 2003 und 2004 verteilte Annen auch gegen einen Münchener Arzt Flügblätter. Dieser führe "rechtswidrige Abtreibungen durch, die aber der deutsche Gesetzgeber erlaubt und nicht unter Strafe stellt". Annen sprach dabei auch Frauen an, die er für mögliche Patientinnen des Frauenarztes hielt.

Auf Klage des Arztes untersagten ihm sowohl das Münchener Landgericht als auch das Oberlandesgericht das Verteilen von Flugblättern, die auf die Abtreibungstätigkeit des Arztes hinweisen, im Umkreis von einem Kilometer rund um die Klinik. Eine solche Anprangerung verletze das Persönlichkeitsrecht des Arztes.

Hiergegen erhob Annen Verfassungsbeschwerde. Mit Erfolg. Wahre Aussagen, die nicht die Intim- oder Privatsphäre betreffen, könnten grundsätzlich nicht verboten werden, entschied eine Kammer des Verfassungsgerichts. Eine Ausnahme sei nur denkbar, wenn ein unverhältnismäßig großer "Persönlichkeitsschaden" drohe. Hier aber gehe es um ein öffentlich interessierendes Thema, und dem Münchener Frauenarzt drohe keine "umfassende soziale Ächtung", wenn vor seiner Klinik auf seine Abtreibungstätigkeit hingewiesen wird. Schließlich weise der Arzt auch selbst auf seine Bereitschaft zu Schwangerschaftsabbrüchen hin.

Allerdings könne ein enger gefasstes Verbot der Flugblätter möglich sein, so die Verfassungsrichter. So könne zum Beispiel verhindert werden, dass abtreibungswillige Frauen vor der Klinik ein "Spießrutenlaufen" absolvieren müssen. Die Meinungsfreiheit erlaube es nicht, anderen die Meinung aufzudrängen. Außerdem dürfen Gerichte das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patientinnen schützen. Ein Verbot, die Flugblätter im Umkreis von einem Kilometer zu verteilen, gehe dabei jedoch eindeutig zu weit, betonten die Richter.

Az.: 1 BvR 1745/06

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