piwik no script img

Proteste in RusslandOppositionelle wollen nicht locker lassen

Brutaler Polizeieinsatz bei Demonstrationen am Montag in Moskau. Bekannten Gegnern von Staatspräsident Wladimir Putin drohen jetzt Haft und Geldstrafen.

„Russland ohne Putin!“ Protest gegen den wiedergewählten Präsidenten am Montag in Moskau. Bild: dpa

MOSKAU taz | Moskaus Innenstadt glich auch am Morgen nach der ersten Protestkundgebung gegen Fälschungen bei den Präsidentschaftswahlen vom Sonntag immer noch einem Heerlager. An den meisten zentralen Orten des Zentrums waren verstärkte Polizeikräfte im Einsatz.

Im Anschluss an die Kundgebung war es zum ersten Mal seit Beginn der Protestwelle im Dezember zu tätlichen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten, der Polizei und Sondereinheiten des Innenministeriums gekommen. Die Polizei nahm 250 Demonstranten vorübergehend fest. Dienstagmorgen befanden sich alle wieder auf freiem Fuss.

Unter den Festgenommenen waren auch die bekannten Oppositionellen Alexej Nawalny, Ilja Jaschin und Sergej Udalzow. Nawalny und Udalzow droht eine Ordnungsstrafe von 53 Euro wegen des Verstosses gegen das Versammlungsrecht. Die Verhandlung vor Gericht findet nächste Woche statt. Ilja Jaschin von der Bewegung "Solidarnost" muss wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt voraussichtlich mit einer Haftstrafe von 15 Tagen rechnen.

Die Polizei war mit äusserster Härte gegen Demonstranten vorgegangen, die den Ort nach dem Ende der Kundgebung nicht verliessen. Damit hätten sie an einer nicht genehmigten Veranstaltung teilgenommen und gegen das Versammlungsrecht verstossen, begründete die Polizei den Einsatz. Juristisch ist diese Auslegung umstritten, denn noch garantiert die russische Verfassung allen Bürgern Bewegungsfreiheit.

Verunsicherte Staatsmacht

Das gewaltsame Vorgehen offenbart, wie tief die Protestbewegung die Staatsorgane verunsichert hat. Das Organisationskomitee "Für faire Wahlen" rief unterdessen zu einem neuen Protestmarsch am kommenden Samstag auf, dem voraussichtlich wieder Zigtausende Moskauer folgen werden.

Da die Bereitschaft ohne Ende in der Kälte zu demonstrieren, gesunken sei, sagte einer der Organisatoren, wolle man alle Kräfte auf das Wochenende konzentrieren. Geplante Veranstaltungen am 8. März, dem arbeitsfreien Internationalen Frauentag, und am 9.März wurden daher abgesagt. Die Stadtverwaltung hatte sie auch noch nicht genehmigt.

Der Milliardär Michail Prochorow, der bei den Präsidentschaftswahlen nach dem Kommunisten Gennadij Sjuganow den dritten Platz belegte, war am Montag zum ersten Mal auf einer Protestveranstaltung als Redner aufgetreten. Nach den Festnahmen sagte er: Bei den Gerichtsverfahren nächste Woche werde er auf einer Aufklärung der Hintergründe für den brutalen Polizeieinsatz bestehen. Er verlangte überdies, die Verhandlungen öffentlich abzuhalten.

Auch in Sankt Petersburg ging die Polizei hart gegen Demonstranten vor und nahm mindestens 300 Teilnehmer der Protestkundgebung fest.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • PB
    Peter Bitterli

    Nein, "Hans", es geht nicht um Jubelperserei. Die Leute, die hier und anderswo den Donuths und anderen einseitigen Propagandisten des putinbashenden Mainstreams eine andere Einschätzung und vor allem auch immer wieder andere Fakten gegenübersetzen, tun schlicht und einfach das, was die verdammte Pflicht und Schuldigkeit der Donaths und anderer wäre, an der sie jämmerlich scheitern: breit und objektiv zu informieren. Schade, dass man da immer mal wieder die ollen Kamellen hören muss, wonach man "vom Kreml" bezahlt sei und sich "nach Moskau" verdrücken solle.

  • H
    Hans

    Vorweg möchte ich attestieren, dass sich grade unter den KommentatorInnen der TAZ, wenn es um Russland geht sehr viel Befürworter der Politik der Putin-Partei Единая Россия finden. Früher hätte man die meisten unter Ihnen als sogenannte "Jubelperser" bezeichnet, heute würde das modern gewordene Agitprop dazu passen, was sich lustigerweise von Lenins отдел агитации и пропаганды ableitet.

     

    Da ich aber aktuell beiden Seiten, der Opposition, als auch der Partei Wladimir Putins einen manipulatives Verhalten zuschreiben muss, traue ich generell keinen Aussagen mehr aus der Richtung.

     

    Das reine West-Europäische Demokratieverständnis auf Russland zu projezieren halte ich für fragwürdig, jedoch würde ich mir wünschen, dass die allg. Menschenrechte nach UN-Menschenrechtscharta in Russland mehr Anerkennung finden würde.

  • R
    rose

    Die Qualität der "Berichterstattung" des K.H.Donath wird immer unerträglicher.Seine Lügen werden immer offensichtlicher-vermutlich verkauft er sich schon für ein paar Gläser des "Wässerchens"...Wer interessante Informationen zur Wahl in Russland haben möchte,wird hier fündig:http://backyard-safari.blogspot.com/

    Der Blogger hat fundierte Landes-und Sprachkenntnisse und ist keine "Medienhure"!

  • PB
    Peter Bitterli

    Donut ist wegen eines Prozesses vor ein paar Jahren, den ein leicht durchgeknallter Anwalt gegen ihn angestrengt hat, und den er notabene gewonnen hat, was übrigens ein Präzedenzurteil für Pressefreiheit in Russland war, persönlich vorbelastet und seither voller Ressentiments. Gefährlich und heimtückisch macht ihn die Tatsache, dass er nicht nur bei der "linken" TaZ, sondern auch bei "rechten" Publikationen wie der "Neuen Zürcher Zeitung" (aus Qualitätsgründen allerdings nur bei der seichten Sonntagsausgabe) seine Hasstiraden publiziert.

  • B
    Benz

    Die russ. radikale ausserparlamentarische Opposition ist nichts als ein Haufen Verlierertypen. Was haben die im Dezember nicht allerlei hochfliegende Plände verkündet! Revolution, Zeitenwende, Putin stürzen, die Macht ergreifen. Dann etwas bescheidener- Putin abwählen. Schliesslich ihn wenigstens in einen 2. Wahlgang zwingen. Und alle diese revolutionären Pläne wurden von den russ. Wählern souverän abgeschmettert.

     

    Jetzt sind die Revolutionäre eben etwas verstimmt, schmollen und möchten sich in Rangeleien mit der Polizei etwas abreagieren. Wenns schon an der Urne nicht klappte, dann wenigstens etwas Randale.

     

    Nennen sich Demokraten, können aber ihre eindeutige Wahlniederlage nicht akzeptieren.

  • O
    OlgaL

    Nur so - einer der Kritikpunkte bei der Russland-Wahl ist: Nicht alle Kandidaten wurden zur Wahl zugelassen. Gut, dann bitte alle Demokratien mit denselben Maßstäben messen. Kasparow hat grad 0,8 % Popularität, ein oft erwähnter Blogger in Russland hat keine Prozente (schwer zu ermitteln, wie bei Sascha Lobo in Deutschland). Russland ist wie Deutschland ein Mehrparteiensystem. Immerhin gab es 4 Gegenkandidaten (die hiesigen Medien wollten ihren Favoriten nicht beim Namen nennen). Dann bei der Wahl 2013 in Deutschland sollen doch auch die Tierfreunde-Partei, die Biertrinker-Partei, die Graue-Panther-Partei und die 3%-FDP-Partei und all die anderen ihre Kanzlerkandidaten aufstellen. Das heißt dann wohl FAIRE WAHLEN.

    WEN WILL DER WESTEN? Die Russen wollen Putin. Beim Westen gibt es einen Geheimfavoriten... Sjuganow oder doch Prochorow? Schade, dass es in Russland da niemand vom Kaliber der heutigen Republikaner-Kandidaten gibt. Find ich für den Westen sehr schade.

  • N
    Noncommittal

    "Verunsicherte Staatsmacht"?!!! Die haben doch einfach nach den erfolgreichen Wahlen zugegriffen. Das haben sie vor den Wahlen nicht gewagt. Und jetzt, wo Putin wieder Zar ist, gibt es fuers Volk keine Demos mehr.

     

    Wer und warum soll da verunsichert sein? Sicher nicht die Staatsmacht Russlands. Vielleicht die TAZ-Journalisten?

  • R
    rose

    Da hat also die "Opposition" schon einige Tage vor der Wahl eine Kundgebung gegen die "gefälschte"Wahl angemeldet.Und die Diktatoren in Russland haben die auch noch genehmigt!Aber die grösste Gemeinheit ist,dass es da Polizei gab-also ein Polizeistaat.Denn in einer Demokratie wie in Dtschl. braucht ja eine Kundgebung nicht angemeldet werden;und Polizei ist dort auch nicht zu sehen... Und wenn nun einige der "Oppositionsführer"im Anschluss an die Kundgebung zum Gesetzesbruch aufriefen,da hat die russische Polizei gefällligst Zuzusehen-denn die ist nur zur Unterdrückung der Menschen da und nicht,um das geltende Recht durchzusetzen.

    Da lobe ich mir Deutschland-jeder darf jederzeit und überall demonstrieren-es gibt keine Polizei,die die Demonstranten(einschliesslich Kinder) zusammenprügelt und geltendes Recht darf auch Jeder brechen...Sagt der Donath.

    Was der Donath und seine Chefs bei der TAZ nicht sagen :http://derunbequeme.blogspot.com/2012/03/geheime-zeitmaschinentechnologie-im.html