Proteste in Iran: Zweite Hinrichtung bestätigt
Ein Mann, der angeblich zwei Sicherheitskräfte getötet haben soll, ist wegen „Krieg gegen Gott“ zum Tode verurteilt und nun öffentlich gehängt worden.
Rahnaward wurde am Montag öffentlich gehängt. Misan berichtete, er sei im Revolutionären Gericht von Mesched verurteilt worden. Die Tribunale sind international vielfach kritisiert worden, weil sie Angeklagten nicht die Möglichkeit einräumen, selbst Anwälte auszuwählen oder die gegen sie vorgebrachten Beweise zu sehen.
Rahnaward war unter dem Vorwurf „Moharabeh“ – Krieg gegen Gott – verurteilt worden. Darauf steht die Todesstrafe. Der Fall verdeutlicht, wie rasch der Iran nun Todesurteile gegen Demonstranten vollstreckt.
Das Staatsfernsehen verbreitete Videoaufnahmen, die angeblich zeigen, wie Rahnaward zwei Männer ersticht und dann wegrennt. In einem ersten Video war zu sehen, wie ein Mann einen anderen Mann um eine Straßenecke herum verfolgt, dann über ihm steht und auf ihn einsticht, nachdem das Opfer gegen ein Motorrad gestürzt ist. Ein weiteres vom Staatsfernsehen verbreitetes Video zeigt denselben Mann im Anschluss beim Einstechen auf ein weiteres Opfer.
Es könnten noch viele Hinrichtungen folgen
Der Misan-Bericht identifizierte die Toten als „studentische“ Basidsch, paramilitärische Freiwillige unter dem Kommando der iranischen Revolutionsgarden, die in größeren Städten eingesetzt wurden und dort Demonstranten angriffen und festnahmen – in vielen Fällen mit Gegenwehr.
Der Bericht nannte kein Motiv für den angeblichen Angriff. Rahnaward sei bei dem Versuch festgenommen worden, ins Ausland zu fliehen, hieß es.
Ein weiterer stark bearbeiteter Bericht des staatlichen Fernsehens, der nach der Hinrichtung ausgestrahlt wurde, zeigte Rahnaward im Gerichtssaal. In dem Video sagt er, er hasse die Basidschis, seit er in den sozialen Medien Videoaufnahmen gesehen habe, in denen die Streitkräfte Demonstranten schlugen und töteten.
Die erste Hinrichtung eines festgenommenen Teilnehmers der Protestaktionen hatte es am Donnerstag gegeben. Die Demonstrationen hatten sich am Tod der 22-jährigen Mahsa Amini am 16. September, nach ihrer Festnahme durch die Sittenpolizei, entzündet. Sie haben sich zu einer der größten Herausforderungen für die iranische Theokratie seit der Islamischen Revolution 1979 entwickelt.
Aktivisten warnen, dass weitere Hinrichtungen folgen könnten. Bislang seien mindestens ein Dutzend Menschen wegen ihrer Beteiligung an den Demonstrationen hinter verschlossenen Türen zum Tode verurteilt worden. Mindestens 488 Menschen wurden seit Beginn der Demonstrationen nach Angaben iranischer Menschenrechtsaktivisten getötet. Weitere 18.200 Menschen wurden festgenommen.
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