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Proteste gegen Rentenreform in FrankreichPolizei mit Tränengas gegen Schüler

Die Proteste gegen die Rentenreform in Frankreich werden rauer: Eine Schule brannte ab, Schüler warfen Steine, die Polizei setze Tränengas ein. Angela Merkel stärkt Nicolas Sarkozy den Rücken.

Randalierende Jugendliche im Pariser Vorort Nanterre. Bild: dapd

PARIS/DEAUVILLE dpa/dapd/reuters/afp | Bei den Protesten gegen die umstrittene Rentenreform in Frankreichi gab es Zusammenstößen zwischen Jugendlichen und der Polizei. Im Pariser Vorort Nanterre warfen Schüler Steine auf die Einsatzkräfte und zündeten ein Auto an. Die Polizei setzte daraufhin Tränengas ein und sperrte das Gebiet ab. Die Schule der Jugendlichen war bereits am Montag wegen Ausschreitungen geschlossen worden.

In der Stadt Le Mans brannte am frühen Vormittag eine Schule ab, die zuvor bereits blockiert worden war. Nach Angaben von Bürgermeister Jean-Claude Boulard wurde bei dem Feuer niemand verletzt. Es habe sich vermutlich um einen kriminellen Akt gehandelt, sagte Boulard.

Demnach breitete sich das Feuer um kurz nach Mitternacht in dem Gebäude aus. Die Feuerwehr brachte den Brand schließlich am frühen Morgen unter Kontrolle. In Nanterre bei Paris kam es am Vormittag erneut zu Ausschreitungen zwischen Jugendlichen und Sicherheitskräften.

Auch der friedliche Protest geht unvermindert weiter: Viele Menschen zogen auf die Straße, zudem gab es zahlreiche Streiks. Insbesondere im Schienen- und Flugverkehr mussten Reisende am Dienstag wieder mit Ausfällen und Verspätungen rechnen.

Landesweit soll rund ein Drittel aller Flüge gestrichen werden, auf dem Pariser Großflughafen Orly sogar 50 Prozent. Der Flughafen von Bordeaux war am Morgen nach Gewerkschaftsangaben von mehr als 100 Demonstranten blockiert worden.

Autofahrer sorgen sich um Benzinnachschub. Nach Medienberichten sollen mehr als 2500 Tankstellen bereits kein Benzin mehr haben. Websites informieren die Autofahrer, wo sie noch tanken können. In Toulouse und Marseille stapelt sich der Müll in den Straßen, weil sich auf die Müllfahrer am Streik beteiligen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hingegen hat Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy den Rücken gestärkt. "Ich glaube, die Bevölkerung in Deutschland, genauso wie in Frankreich, wird nicht darum herumkommen, der Wahrheit ins Auge zu sehen. Und die Wahrheit heißt: Die Menschen leben länger", sagte die Kanzlerin am Dienstag dem Fernsehsender France 2.

Merkel verwies dabei auf Proteste gegen die Erhöhung des gesetzlichen Rentenalters in der Deutschland von 65 auf 67 Jahre. Auch dabei habe es sehr viel Widerstände gegeben, und viele Menschen verstünden es bis heute nicht, sagte die Kanzlerin. "Trotzdem muss jeder die Weichen für die Zukunft stellen."

"Wir in Deutschland führen das auch stufenweise ein, genauso wie in Frankreich", sagte Merkel. "Aber es wäre ganz schlecht für die junge Generation, wenn wir jetzt einfach die Augen verschließen würden vor der Realität und eines Tages unsere Kinder und Enkel mit den ganzen Problemen dasitzen."

In Frankreich haben die Gewerkschaften bereits zwei Mal - in den Jahren 1995 und 2006 - mit langwierigen Protesten eine Rentenreform verhindert. Den derzeitigen Plänen zufolge sollen die Franzosen künftig frühestens mit 62 Jahren statt bisher mit 60 Jahren in Rente gehen können. Die volle Rente können Franzosen dann erst mit 67 statt wie bisher mit 65 beziehen. Die Mehrheit der Franzosen unterstützt die Proteste gegen die Reform.

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9 Kommentare

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  • J
    jhw

    @Sebastian: Ganz schoen spaet geworden gestern Abend, was? Da kann man dann schon mal auf so Gedanken kommen.

     

    "Aber es wäre ganz schlecht für die junge Generation, wenn wir jetzt einfach die Augen verschließen würden vor der Realität und eines Tages unsere Kinder und Enkel mit den ganzen Problemen dasitzen."

     

    Sagt das Merkel, das sich fuer verlaengerte Laufzeiten von Atomkraftwerken hingegeben hat.

    Wann wird eigentlich Franz Beckenbauer Kanzler? Duemmer reden kann der doch beim besten Willen auch nicht.

  • S
    Sebastian

    Ich hoffe die Franzosen baden die Misere selbst aus. Die Schule darf auf keine Fall wieder aufgebaut werden, genau wie Telefonzellen oder Laternen. Da müssen sich die Steuerzahler gegen wehren! Erst alles zerstören und hinterher jammern...

     

    Gelder sollte nur für Bürger und Bürgerinnen ausgegeben werden deren Eigentum zerstört wurde (Autos), schnell und unbürokratisch!

     

    Solidarität mit den Streikbrechern! Ich hoffe die franz. Regierung stellt schnell wieder die Ordnung her. Es kann nicht angehen das die Franzosen daran gehindert werden zur Arbeit oder zur Schuld zu gehen. Gegen diese Demonstranten muss entschieden und kraftvoll vorgegangen werden, der Staat darf sich nicht erpressen lassen!

  • J
    Jean-Jacques

    Sarkozy, Merkel, Barrosso - même combat!

     

    Für viele Franzosen stellt sich heute die Frage: Wer hat eigentlich Sarkozy gewählt? Heute lehnen ca. 70% seine "Rentenreform" ab.

    Mai 2007: Die französischen Wähler hatten die Wahl zwischen der sozialdemokratischen Kandidatin Royal und dem rechtsaussen Sarkozy. Viele linke Wähler haben "weiss" gewählt (so wie ich) oder sind zuhause geblieben, denn beide Praesidenschaftskandidaten kündigten eine Politik der Umverteilung des Volkseinkommens zugunsten der Kapitaleigner und der Börsenspekulaten an. Zwei Jahre zuvor hatten sie Seite an Seite für die EU-Verfassung geworben, die von der Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt wurde.

    Das französische Wahlrecht ähnelt dem US-amerikanischen, nur Kandidaten, die mit Miliarden unterstützt werden, haben eine Schance.

    Frau Royal hat ein ungeklärtes Verhältnis zum Kapitalismus.

    Heute erinnern sich viele Franzosen daran, dass in einer Demokratie die Macht dem Volke gehört, auch wenn Sarko meint, dass er machen kann was er will.

  • P
    piratronic

    im übrigen sollen die franzosen die volle rente nach der reform auch erst mit 67 bekommen. wer mit 62 in rente geht bekommt abzüge.

     

    frau merkel hält offensichtlich auch hier genau so wenig von der meinung der menschen wie bei den themen stuttgart 21, atomkraft, bildung, etc. ...

  • JR
    Jan Reyberg

    vielleicht sollte man noch schnell aus dem EU-Moloch ausscheren bevor sich die Franzosen auch noch so in Grund und Boden wirtschaften und die EU in ein Nord- und eine Süd-EU aufteilen...

  • R
    Ro.E.

    Die Menschen wählen die Politiker, die sie verdienen?!?

    Die Motivation, selbst im Vorfeld politisch tätig zu werden und Verantwortung zu übernehmen, tendiert immer stärker gegen Null, die eigentlichen politischen Entscheidungen fällt eh´das Kapital, und die Politiker, egal ob in Frankreich oder Deutschland oder in anderen vermeintlich demokratischen Staaten, sind ihren Lobbyisten ergeben. Das Volk hat leider kaum welche.

  • B
    bEn

    @ Vedat

    Nee, Tempo 120 auf Autobahnen.

  • V
    Vedat Özer

    hierzulande sollte man froh darüber sein dass es Franosen gibt, die sich nicht einfach hingeben wollen.

    Was müsste denn hierzulande noch passieren? Rente mit 120?

  • E
    E.A.

    Solange diese Politik nicht bereit ist, Vermögende stärker zu besteuern, wird eine Rente mit 67 unumgänglich. Diese Unfähigkeit, geschaffenen Reichtum gerechter zu verteilen, ist das große Versagen von Merkel und Co.

     

    Die Franzosen machen es genau richtig. Und wie zum Hohn stellt Merkel die Bevölkerung als Vollidioten hin und sie selber habe den Plan.