Rentenproteste in Frankreich: Sarkozy lässt durchgreifen

Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy will, dass der Staat bei den Protesten endlich Autorität zeigt. Und lässt mit Härte gegen Blockierer und Randalierer vorgehen.

In Frankreichs Städten liefern sich Polizei und Demonstranten ein Katz-und-Maus-Spiel, wie hier in Lyon. Bild: dapd

Der französische Präsident Nicolas Sarkozy hat angeordnet, dass alle polizeilichen Mittel und notfalls Gewalt eingesetzt werden, um die Treibstoffversorgung zu gewährleisten. "Das Streikrecht erlaubt es nicht, den freien Verkehr und die Arbeit zu behindern", sagt er.

Bei der Kabinettssitzung am Mittwoch ging Sarkozy noch weiter: "Wenn diese Unordnung und diese Störungen, die das Land lähmen sollen, nicht rasch aufhören, könnte dies schwerwiegende Folgen für die Beschäftigung und den normalen Ablauf unserer Wirtschaft haben", warnte der Staatschef und möchte so den gewerkschaftlichen Organisatoren der Blockaden ihre Verantwortung vor Augen führen. Ein Sprecher des französischen Kleinunternehmerverbands bezifferte die Umsatzeinbußen auf mehr als 300 Millionen Euro pro Streiktag.

Innenminister Brice Hortefeux gab Befehle, die Blockaden der großen Treibstoffdepots zu räumen. Schon in der Nacht hatten Ordnungskräfte drei Zugänge zu Treibstofflagern in Westen des Landes freigeräumt, wo die Versorgung besonders prekär ist. In allen drei Fällen errichteten aber die vertriebenen Streikenden kurz darauf neue Sperren, indem sie Lastwagen mit platten Reifen querstellten.

In diesem Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei scheinen die Gewerkschaften bisher die Oberhand zu behalten. Am Mittwochmorgen besetzten außerdem rund 800 Demonstranten alle Zufahrten zum Flughafen Toulouse. Kleinere Gruppen unterbrachen zeitweilig den Autobahnverkehr. In Rouen genügte es, dass ein paar Fahrzeuge auf der Ringautobahn Schneckentempo fuhren, um einen Riesenstau zu provozieren.

Mit größter Entschlossenheit ging die Polizei auch am Mittwoch wieder im westlichen Pariser Vorort Nanterre und erneut auch im Zentrum von Lyon gegen jeweils mehrere hundert Jugendliche vor, die wie schon am Tag zuvor die direkte Konfrontation suchten. Die Behörden hoffen, dass die Bilder brennender Autos und geplünderter Geschäfte zu einem Meinungsumschwung führen.

Bisher steht laut Umfragen eine Mehrheit von sechs oder sieben von zehn Bürgern auf der Seite der Protestbewegung gegen die Rentenreform. Mit dem sehr dezidierten Einsatz der Polizei gegen "Casseurs", wie in Frankreich die Randalierer und Plünderer genannt werden, möchte die Staatsführung ihre Autorität wiederherstellen, nachdem in den letzten Tagen der Eindruck entstanden war, dass sie die Kontrolle verloren habe.

Der Regierung ist auch nicht entgangen, dass laut neuesten Befragungen zwar 79 Prozent der Leute Verhandlungen über die umstrittene Reform fordern und 67 Prozent Streiks und Demonstrationen billigen, aber 54 Prozent gegen die Behinderung der Treibstofflieferungen sind. Die Radikalisierung des Widerstands hat so auch Anzeichen einer Verschiebung in der öffentlichen Meinung sichtbar gemacht, die sich die Staatsführung sofort zunutze machen will, um nicht einfach passiv auf ein Abflauen der Proteste zu setzen.

Besonders motiviert, ihre Proteste nicht nur fortzusetzen, sondern noch lauter und notfalls radikaler werden zu lassen, sind nicht nur die Basis der Gewerkschaften, sondern vor allem die Mittelschüler. Sie wollen am heutigen Donnerstag zusammen mit Studierenden, die sich bisher nur zögernd angeschlossen hatten, in Paris demonstrieren. Dabei wird das Risiko von gewaltsamen Auseinandersetzungen als sehr hoch eingeschätzt.

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