Protestaktion vor Grundbuchamt: Rotfloristen gliedern sich ein
Weil der Verkauf droht, versuchen die Besetzer der Roten Flora klar zu machen, dass sie nicht nur für ihr Projekt, sondern für eine andere Gesellschaft kämpfen.
HAMBURG taz | Vor dem Grundbuchamt haben BesetzerInnen der Roten Flora am Montag Steinplatten mit den Namen umstrittener Immobilen zertrümmert und damit symbolisch die Eigentumsordnung infrage gestellt. Den rund 100 DemonstrantInnen standen in der näheren und weiteren Umgebung mindestens ebenso viele PolizistInnen gegenüber. Beide Seiten blieben friedlich.
Anlass für den Protest war das Ende einer Frist, während der die Stadt das Vorkaufsrecht für die Rote Flora hatte. Seit Montag kann der Eigentümer Klausmartin Kretschmer das Gebäude verkaufen. Allerdings darf es nur als selbst verwaltetes Stadtteilkulturzentrum genutzt werden. Kretschmer hat öffentlich kundgetan, er werde verkaufen.
"Mit dem Verkauf steht ein Räumungsszenario im Raum", sagte ein Sprecher der Demonstranten. Die Aussage des neuen Bürgermeisters Olaf Scholz (SPD), niemand habe vor, "an dem jetzigen Zustand im Großen und Ganzen etwas zu ändern", sei unglaubwürdig. Es sei ja ein rot-grüner Senat gewesen, der den Verkauf an Kretschmer beschlossen habe.
Am 25. April 2001 hat die Bürgerschaft mit der Mehrheit von SPD und GAL beschlossen, die Rote Flora an Klausmartin Kretschmer zu verkaufen. Im Kaufvertrag steht:
Das Vorkaufsrecht der Stadt bei einem Weiterverkauf durch Kretschmer gilt zehn Jahre. Es ist am Montag ausgelaufen.
Einer Nutzungsänderung weg von einem Stadtteilkulturzentrum muss die Stadt zustimmen. Dies gilt unbefristet.
Eine Wertsteigerung als Folge einer solchen Nutzungsänderung würde der Stadt zugute kommen. Den Teil des Erlöses, der über den Verkehrswert hinausgeht, müsste Kretschmer bei einem Verkauf abgeben. Der Verkehrswert liegt bei 1,2 Millionen Euro, Kretschmer will angeblich vier bis fünf Millionen.
"Die Flora ist auf dem Markt, und Kretschmer wird diesen Umstand nutzen, um möglichst viel Gewinn abzuschöpfen", heißt es im Aufruf zur Demonstration. Entgegen den Einschätzungen der Presse werde sich die Stadt nicht weigern, einen privat erwirkten Räumungstitel durchzusetzen. Bei der Räumung des Ungdomshuset in Kopenhagen und der Liebigstraße 14 in Berlin sei das genauso gelaufen.
Die teils maskierten Demonstranten erklärten sich zum Teil der "Recht auf Stadt"-Bewegung. Gegenstand der "ersten öffentlichen Grundbuchzerschepperung" waren deshalb neben der Rote Flora auch das Bernhard-Nocht-Quartier nahe den Hafenstraßen-Häusern, der bedrohte Bauwagenplatz Zomia in Wilhelmsburg, der Ikea-Bau in Altona, die geplante Umbau des ehemaligen Real-Marktes am Neuen Kamp, das von Künstlern gerettete Gängeviertel und die kurzzeitig besetzte Juliusstraße 40.
Ohne die im Grundbuch festgehaltenen Eigentumsrechte stünden die betreffenden Immobilien wieder der Öffentlichkeit zur Verfügung. "Die Häuser gehören denen, die darin wohnen und die sie nutzen", rief der Hauptredner.
Zu einem kurzzeitigen Gedränge kam es, als die Polizei versuchte, den Hauptredner als Versammlungsleiter dingfest zu machen: Er solle seine Personalien angeben oder auf die Wache mitkommen, verlangte ein Polizist. DemonstrantInnen drängten ihn ab. Die Polizei verzichtete darauf, den Redner mit Gewalt festzunehmen.
Die Demonstranten zeigten sich im Umgang betont friedlich, bekräftigten aber ihr Interesse, den Konflikt am Laufen zu halten. "Wir fordern alle auf, sich die Flora und die Kampagne ,Flora bleibt unverträglich' selbstbestimmt anzueignen", teilten sie mit. Als nächste Aktion ist ein Tanz in den Mai geplant, bei dem es nicht nur um die Zukunft der Flora, sondern auch des Bauwagenplatzes Zomia gehen soll.
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