Protest in Südafrika: Mal brennen Stühle, mal die Fabriken
Johannesburg, Kapstadt, nun auch Mandeni: Der Protest gegen soziale Ungleichheit und staatliche Unfähigkeit wird zum Flächenbrand.
Am Montag verbarrikadierten mehr als 3.000 Menschen die Straßen der 45.000 Einwohner zählenden ländlichen Küstenstadt Isithebe mit Autoreifen und Felsbrocken. Vier Fabriken gingen am späten Abend durch Benzinbomben in Flammen auf, eine davon brannte komplett nieder. Die industrielle Bekleidungsproduktion in dem kleinen Ort kam zum Stillstand. Die aufgebrachten Demonstranten schossen auf Feuerwehrleute und bewarfen Polizeifahrzeuge mit Steinen. Sie setzten einen Lastwagen und fünf Container in Brand. 120 Menschen sind festgenommen worden.
„Seit den 80er Jahren, als ich noch Polizist war, habe ich ein derartiges Ausmaß an Gewalt nicht mehr erlebt“, sagte Dylan Meyrick, Chef einer privaten Rettungseinheit in Isithebe. „Das ist Anarchie.“ Die Lage in Isithebe ist weiterhin angespannt. Schulen und Geschäfte blieben auch in den vergangenen Tagen geschlossen. Eine Gruppe marschierte zur Polizeistation und forderte die Freilassung der Festgenommen.
Das sei eine unrealistische Forderung, sagte ANC-Sprecher Mdumiseni Ntuli in Kwazulu-Natal. Eine ANC-Delegation hatte sich bereit erklärt, am Mittwoch in der Gemeindehalle Gespräche mit den Anwohnern zu führen. Doch die Politiker kamen erst mit zwei Stunden Verspätung. Da brannten bereits einige Stühle. „Die Politiker mussten aus der Halle evakuiert werden“, berichtete Meyrick.
Abschaffung von Afrikaans als Unterrichtssprache
Die Ursachen für die gewaltsamen Ausschreitungen haben nicht nur mit unzureichenden staatlichen Dienstleistungen zu tun. Viele Einwohner waren laut Berichten wütend über die Ernennung eines nicht erwünschten traditionellen Gemeindeführers. Auch die erneute Nominierung des Exbürgermeisters für die anstehenden Kommunalwahlen war ihnen nicht recht.
Sie klagen über Vetternwirtschaft und Korruption – ein Übel, das in vielen Gemeinden in den vergangenen Jahren zugenommen hat. Die soziale Ungleichheit hat sich unter der Regierung des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) nicht verringert. Immer mehr Menschen äußern ihre Verzweiflung durch aggressive Proteste und Übergriffe in vielen Orten des Landes. Immer häufiger, insbesondere an den Lehranstalten, kommt es dabei zu rassistischer Polarisierung.
Dylan Meyrick, ExPolizist
So kam es bei Studentenunruhen im vergangenen Monat zu regelrechten Verwüstungen auf dem Gelände der Universität Kapstadt. Eigentlich ging es um fehlende Unterkünfte für Studenten: Von 27.000 eingeschriebenen Studenten finden nur 6.000 dort Unterbringung. Schwarze Studenten sind am stärksten betroffen, denn sie können häufig keine anderen Unterkünfte in der teuren Touristenmetropole am Kap zahlen.
Auch in Johannesburg kam es zu ähnlichen Unruhen. Seit Öffnung der Witwatersrand-Universität im Februar kontrollieren private Sicherheitskräfte mit kugelsicheren Westen die Flure der Lehranstalt, heißt es in Daily Vox, der Studentenzeitung der Uni. An der Freistaat-Universität in Bloemfontein kam es sogar zu Schlägereien zwischen weißen und schwarzen Studenten über Diskriminierung im Alltag. Im Zentrum steht dabei der von einigen schwarzen Aktivisten geäußerte Wunsch nach Abschaffung von Afrikaans als Unterrichtssprache – wie bei den blutigen Schüleraufständen 1976 in Soweto.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!