Protest gegen englische Bahnstrecke HS2: Erste Besetzer verlassen Tunnel
In London leisten Aktivist:innen seit Wochen Widerstand gegen das Infrastrukturprojekt. Die Lage spitzt sich zu, fünf Leute sind noch unter der Erde.
LONDON taz | Seit 22 Tagen harren Mitglieder des Aktionsbündnisses HS2 Rebellion in selbstgegrabenen Tunneln 10 Meter unter der Erdoberfläche des Londoner Bahnhofs Euston Station aus. Sie haben sich verbarrikadiert, um gegen den Bau der geplanten englischen Höchstgeschwindigkeitsbahnstrecke HS2 zu protestieren.
Diese soll zunächst London und Birmingham verbinden. Sie bemängeln das Projekt als naturzerstörend und überteuert. Die Verbindung soll 100 Milliarden britische Pfund kosten. Nach Angaben von Umweltverbänden würden 100 uralte Wälder und 600 wichtige Biotope zerstört sowie unzählige Menschen aus ihren Häusern vertrieben. Die von der britischen Regierung gegründete Projektfirma HS2 Ltd. spricht von 43 alten Wäldern, wobei 80 Prozent ihrer Gesamtfläche intakt bliebe.
Schon seit dem vergangenen Sommer hatten Aktivist:innen in einem Baumcamp gegen das Vorhaben protestiert. Erst als die HS2 Ltd. es Ende Januar räumen ließ, wurde das Tunnelnetzwerk bemerkt. Das Camp hatte demnach vermutlich nur als Verpflegungszentrum gedient. Die Erde aus den Tunneln war in die Wände des Lagers eingearbeitet worden, weshalb die Grabungsarbeiten nicht auffielen.
Die Aktivist:innen in den Tunneln haben sich teilweise aneinander oder an schwere Gegenstände angekettet. Die Räumungsversuche der von HS2 Ltd. geschickten Kräfte gestalten sich deshalb als schwierig. Allerdings haben einige der Besetzer:innen die Tunnel in den letzten Tagen freiwillig verlassen – entweder weil sie erschöpft oder erkrankt waren oder „damit die Lebensmittelrationen länger reichen können“, wie sie angaben. Fünf Personen sollen sich noch unter der Oberfläche aufhalten.
Eintunnelung hat Tradition
Eintunnelung bei Protesten ist in England nicht neu. Einer der bekanntesten Pioniere der Taktik ist Daniel Hooper. Schon 1996 hatte er unter dem Codenamen „Swampy“ 1996 im westenglischen Devon Tunnel gegraben, um gegen den Bau einer Autobahnerweiterung zu demonstrieren.
Drei Jahrzehnte später ist er bei den Protesten an Euston Station dabei. Sein sechzehnjähriger Sohn Rory hatte dort ebenfalls bis zum Mittwoch ausgeharrt. Erst nachdem sich die Situation am Bahnhof zugespitzt hatte, weil HS2 Ltd. einen weiteren Evakuierungsschacht gegraben hatte, verließ der junge Mann freiwillig den Tunnel und wurde danach festgenommen
Der Nachhaltigkeitsexperte Larch Marxey, der weiterhin im Tunnel ist, erklärte, es handele sich um „einen pazifistischen Protest“. Das Projekt passe nicht zu einer Politik, die den Klimanotstand ernst nehme.