Protest gegen Vorratsdatenspeicherung: Verfassungsbeschwerde kommt
Der Bundesrat hat die Vorratsdatenspeicherung durchgewunken. Nun gehen die Kritiker gerichtlich dagegen vor – und setzen auf Karlsruhe.
Sie hätten den Antrag als betroffene Berufsgeheimnisträger gestellt, teilten die Anwälte Carl Christian Müller und Sören Rößner mit. Mit einem Erlass einer einstweiligen Anordnung solle erreicht werden, dass die Speicherpflicht der Telekommunikationsanbieter bis zur Entscheidung über eine Verfassungsbeschwerde ausgesetzt wird. Die Verfassungsbeschwerde werde noch eingereicht.
Das Gesetz sieht vor, dass Telekommunikationsdaten künftig für zehn Wochen aufbewahrt werden, damit Ermittler bei der Bekämpfung von Terror und schweren Verbrechen darauf zugreifen können.
Für den Antrag der rot-rot-grünen Thüringer Landesregierung, den Vermittlungsausschuss zwischen Bundesrat und Bundestag anzurufen, gab es in der Länderkammer keine Mehrheit. Aus Sicht Thüringens ist die verdachtsunabhängige Speicherung von Kommunikationsdaten mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht vereinbar.
„Mit Freiheitsrechten nicht vereinbar“
Linke, Grüne, Piratenpartei, FDP und Netzaktivisten halten das Vorhaben für verfassungswidrig und unverhältnismäßig. Mehrere Politiker und Initiativen hatten bereits in der Vergangenheit angekündigt, gegen das Gesetz zu klagen.
Die Piratenpartei wollte nach eigener Aussage bei einem Scheitern eines Vermittlungsverfahren zunächst an den Bundespräsidenten appellieren, die Unterschrift unter das Gesetz zu verweigern.
Der „Generalverdacht“ für alle Bürger sei „mit den Freiheitsrechten in unserem Land nicht vereinbar“, erklärten die Berliner Abgeordneten Ramona Pop, Benedikt Lux, Dirk Behrendt, Stefan Gelbhaar, Canam Bayram (alle Grüne), Sven Kohlmeier, Joschka Langenbrinck (beide SPD), Martin Delius und Simon Weiß (beide Piraten). Sie beriefen sich darauf, dass sie wie Ärzte, Anwälte, Journalisten und Geistliche „Berufsgeheimnisträger“ seien. Die Verfassung sehe vor, dass sie Angaben über Personen, die ihnen Mitteilungen machten, verweigern dürften.
Neuer Strafbestand eingeführt
Nach dem Gesetz sollen Telekommunikationsanbieter die IP-Adressen von Computern und Verbindungsdaten zu Telefongesprächen künftig zweieinhalb Monate aufbewahren. Standortdaten bei Handy-Gesprächen sollen vier Wochen gespeichert werden, Daten zum E-Mail-Verkehr nicht. Die Behörden dürfen die Daten nur zur Verfolgung bestimmter schwerer Straftaten nutzen – etwa bei der Bildung terroristischer Gruppen, Mord oder sexuellem Missbrauch. Den Abruf der Informationen muss ein Richter erlauben.
Um gespeicherte Daten vor Ausspähung zu schützen, wird der Straftatbestand der Datenhehlerei eingeführt. Danach ist es strafbar, Daten entgegenzunehmen, die ein anderer durch eine rechtswidrige Tat – beispielsweise einen Hackerangriff – erlangt hat. Journalistische Arbeit wird vom Straftatbestand nicht erfasst.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Prozess gegen Maja T.
Ausgeliefert in Ungarn
Gedenken an Hanau-Anschlag
SPD, CDU und FDP schikanieren Terror-Betroffene
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen