Protest gegen "Stuttgart 21": Am Bahnhof trillert's wieder
Gegner des Bauprojekts blockieren die Einfahrt von Baufahrzeugen. Zweieinhalb Monate vor der Wahl setzen sie jetzt all ihre Hoffnung auf einen Machtwechsel im März.
STUTTGART taz | In Stuttgart ist der "verrückte Alltag" zurückgekehrt. So nannte ein Aktivist gegen Stuttgart 21 am Dienstagmorgen an der Mahnwache vor dem Hauptbahnhof die Situation. Die Bagger rollen wieder, die Gegner des Milliardenprojekts pfeifen und rufen wieder. Seit der Schlichtung des Bahnhofsstreits hatte die Deutsche Bahn die Bauarbeiten für den neuen Durchgangsbahnhof ruhen lassen. Doch nun sind die Schlichtung und die anschließende Weihnachtspause endgültig vorbei.
Seit Montag lässt der Energieversorger EnBW Starkstromleitungen am Nordausgang des Bahnhofs verlegen, da die alte Stromleitung dem geplanten unterirdischen Technikgebäude im Weg läge. Gegen die Baumaßnahmen hatten bereits am Montag rund 50 Stuttgart-21-Gegner demonstriert und die Einfahrt von Baufahrzeugen behindert. Das gleiche Bild am Dienstag: Dieses Mal versperrten am frühen Morgen rund 80 Demonstranten mit einer Sitzblockade die Einfahrt zur Baustelle am Nordflügel. Die Polizei räumte daraufhin die Blockade.
Doch noch scheinen es nur die ersten Vorboten größerer Proteste zu sein. "Es ist zwar emotional, aber es geht hier um Stromleitungen. Das sind keine Bäume", sagte Mark Pollmann von der Mahnwache. Wenn davon die nächsten gefällt werden oder etwa der Abriss des Südflügels beginnt, "dann wird das noch mal wieder ganz andere Massen mobilisieren", ist er sich sicher. Dann will auch das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 wieder für Blockadeaktionen mobilisieren. Am Montag und Dienstag war es nicht beteiligt.
Gleichzeitig geht es jetzt auf die Zielgerade Richtung Landtagswahl. "Ihr werdet uns nicht los. Wir euch schon" steht auf einem Protestplakat am Bauzaun. Bis zum 27. März hat das Aktionsbündnis einen "Widerstand de luxe" angekündigt. Am 29. Januar, 19. Februar und 19. März sollen für Großdemonstrationen noch einmal alle Kräfte mobilisiert werden, um Schwarz-Gelb im Südwesten abzuwählen. Zusätzlich soll es die traditionellen Montagsdemos geben. Zu deren Jahresauftakt waren am Montagabend nach Angaben der Veranstalter gut 7.000 Menschen gekommen, die Polizei sprach von 4.000 Teilnehmern.
Derweil zeigte sich Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) überzeugt, dass das Bahnprojekt umgesetzt werde. "Ab heute wird wieder gebaut, und der Bau wird weitergehen", sagte er auf dem Jahresempfang der Industrie- und Handelskammer in Karlsruhe. Die Grünen kritisierten hingegen die Wiederaufnahme der Bauarbeiten. "Das Bahnchaos der letzten Wochen macht einmal mehr die Absurdität von Stuttgart 21 deutlich", sagte der Landesvorsitzende Chris Kühn. "Es kann nicht sein, dass einerseits Verspätungen und Zugausfälle zur Regel werden, massenhaft Ersatzzüge fehlen, Weichen einfrieren, Heizungen streiken oder ICE-Toiletten nicht funktionieren und andererseits die Bahn das Milliardenprojekt Stuttgart 21 um jeden Preis durchziehen will."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Donald Trump wählt seine Mannschaft
Das Kabinett des Grauens
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist