Protest gegen Straßenausbau in Hannover: „Das Gegenteil von Klimaschutz“

2.000 Protestierende werden am Freitag bei einer Aktion gegen den Ausbau des Südschnellwegs in Hannover erwartet. Kommt der Protest zu spät?

Straßenverkehr auf dem Südschnellweg

Viel befahren und sanierungsbedürftig: Der Südschnellweg in Hannover Foto: Holger Hollemann/dpa

HAMBURG taz | Es entwickelt sich zu einem der größten Umwelt- und Verkehrsprojektproteste in der niedersächsischen Landeshauptstadt: Die Pläne eines massiven Ausbaus des Südschnellwegs stoßen in Hannover auf immer mehr Unverständnis. Viele Umwelt- und Verkehrsorganisationen haben für Freitag einen weiteren Protest angekündigt; sie erwarten rund 2.000 Teil­neh­me­r:in­nen bei einer Fahrraddemo.

„Die Pläne sind ein plastisches Beispiel für den Widerspruch der gegenwärtigen Politik: Sie verkauft Klimaschutz, aber tatsächlich will sie baulich das Gegenteil umsetzen“, sagt Helene Grenzebach vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC). Neben dem ADFC gehören auch Extinction Rebellion, Fridays For Future und der Verkehrsclub Deutschland (VCD) zu den Protestinitiatoren.

Der Südschnellweg, vierspurig und baulich abgeschottet vom restlichen Verkehr, verbindet zwischen den Stadtteilen Ricklingen und Döhren auf vier Kilometern Länge das ringförmige städtische Schnellstraßennetz. In großen Teilen führt er dabei durch das Landschaftsschutzgebiet Leinemasch. Nach einer Prüfung der Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr muss die Straße dringend erneuert werden. Insbesondere, weil drei Brücken marode sind. In diesem Zustand dürften sie nur noch bis etwa 2023 genutzt werden.

Doch die bisherigen Pläne sehen nicht einfach nur eine Sanierung vor. Stattdessen soll die Straße autobahnähnlich ausgebaut werden. Das bedeutet: Die Spuren werden breiter, der Mittelstreifen ebenso. Hinzu kommt ein Standstreifen auf beiden Seiten. Dies sei notwendig, da die bisherigen Maße nicht mehr den Regelwerken entsprechen würden, so die Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr. Dem Landschaftsschutzgebiet geht dadurch eine größere Fläche verloren: Statt der bisherigen 14 Meter wäre die Straße dann 25 Meter breit.

Keine Förderung des Fahrradverkehrs

Zentrales Argument, das für den Ausbau spreche, ist eine mittlerweile fünf Jahre alte Verkehrsprognose. Demnach steige die Zahl der Fahrzeuge, die täglich den Südschnellweg nutzen, bis Ende dieses Jahrzehnts um 20 Prozent – waren es 2015 noch 44.000 Fahrzeuge, seien es 2030 rund 55.000.

Neben den umweltschädlichen Aspekten des zusätzlichen Autoverkehrs kritisiert der ADFC, dass der Fahrradverkehr hingegen nicht gefördert werde. Ein einst geplanter Radweg entlang des Südschnellwegs taucht in der Planung nicht mehr auf. An den Kosten könne es nicht liegen: Die wären mit geschätzten zehn Millionen Euro im Vergleich zu den Gesamtkosten von rund 360 Millionen Euro überschaubar. Auch wäre bei einem Ausbau nach jetziger Planung eine Fahrradquerung von Süden nach Norden nicht mehr so einfach möglich.

Schon bei einer Protestfahrt Anfang Juni gab es 2.500 Teilnehmer:innen. Eine Petition mit 12.000 Unterschriften soll demnächst Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) überreicht werden – als Bundesstraße ist sie Angelegenheit seines Ministeriums. Das bei ihm der Protest noch zu einem Umdenken führen könnte, glauben die Pro­tes­t­in­itia­to­r:in­nen aber nur bedingt.

Allerdings gebe es ja noch weitere politische Ebenen, die Einfluss nehmen können: Das rot-schwarz geführte Land etwa, der Regionspräsident Hauke Jagau (SPD) oder Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne). „Sowohl die Region als auch die Stadt Hannover hatten sich bereits für die Verkehrswende ausgesprochen“, sagt Grenzebach. Nun sollten sie gefälligst Druck machen.

Zwar sind die Anhörungen im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens vorbei, einen Beschluss hat die zuständige Region Hannover im Auftrag des Bundes jedoch noch nicht veröffentlicht. Ob die Einwendungen im Rahmen der Anhörung gegen das Vorhaben berücksichtigt wurden, ist also noch unklar. Ob der wachsende Protest noch hilft ebenso.

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