Protest gegen Plagiator: Schuhe gegen Dr. Guttenberg
Vor dem Verteidigungsministerium demonstrieren Menschen für einen Rücktritt Guttenbergs. Dabei fliegen auch Schuhe. Wiederholung ist geplant.
Sorgfältig aufgeräumt hat sie, die Bundeswehr. Kein Schuh mehr, der auf dem kleinen Rasenstreifen hinter dem Zaun des Verteidigungsministeriums liegt, kein Transparent, das zwischen den Stangen klemmt. Nur noch ein kleiner Rest von etwas, das mal ein Luftballon gewesen sein könnte, erinnert an die Proteste vom Vortag.
Am Samstag hatten sich hier mehrere hundert Menschen versammelt, um den Rücktritt des Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) zu fordern. Mit Transparenten auf denen "Guttenberg ist ein Betrüger" oder, "summa cum fraude" stand, zeigten sie ihre Empörung über das Verhalten des Ministers. Zahlreiche Demonstranten trugen Schuhe bei sich, die sie vor dem Ministerium in die Höhe hielten und auf die Zaunspitzen setzten. Einige der Schuhe landeten auch auf dem umzäunten Gelände. "Gutti go home", riefen die Demonstranten auf ihrem Weg vom Potsdamer Platz zum Bendlerblock und: "Lügenbaron, jagt ihn davon."
Mitte des Monats war durch Veröffentlichung eines Jura-Professors bekannt geworden, dass Guttenberg an mehreren Stellen seiner Dissertation Teile aus anderen Texten verwendet hat, ohne sie als solche zu kennzeichnen. In den folgenden Tagen trugen Freiwillige auf einer Internetseite mehrere hundert Stellen in der Arbeit zusammen, auf denen Guttenberg fremde Texte als seine eigenen ausgegeben habe. Die Universität Bayreuth, an der Guttenberg promoviert hatte, erkannte ihm in der vergangenen Woche seinen Doktortitel ab. Guttenberg selbst hatte die Plagiatsvorwürfe anfangs als "abstrus" zurückgewiesen. Nach und nach gestand er dann Fehler ein. Er bestritt jedoch stets, vorsätzlich abgeschrieben zu haben. Eine Aussage, die zahlreiche Juristen bezweifeln.
"Ich habe mich geärgert über diesen ganzen Vorgang", sagt Demo-Anmelder Hans Hübner. Die Idee sei ihm bei Gesprächen im Freundes- und Familienkreis gekommen, angesichts verbreiteter Empörung über Guttenbergs Verhalten, "Es ist keine Kleinigkeit, sich über solche Standards wie, man lügt nicht, hinwegzusetzen", sagt er.
Und dann wäre da noch die Sache mit den Schuhen. In Anschluss an die Demonstration am Samstag erkannte man den Zaun am Verteidigungsministerium nicht wieder: Herrenschuhe und Sneakers steckten auf den Spitzen, ein Paar Turnschuhe hatte sich mit seinen Schnürsenkeln um eine Querstrebe gewickelt und auch einige Transparente hingen am Zaun. Die Idee mit den Schuhen stamme nicht von ihm, erklärt Hübner. Nachdem er seinen Demo-Gedanken bei Twitter gepostet hatte, habe jemand anders vorgeschlagen, Schuhe mitzubringen. "Es ist eine Geste der Abscheu und Verachtung", sagt Hübner. Das Verwenden von Schuhen als Zeichen des Protests war 2008 in den Fokus der Öffentlichkeit geraten, als ein irakischer Journalist einen Schuh auf den damaligen US-Präsidenten George W. Bush warf.
Hübner erklärt, dass er die Idee auch der Bilder wegen gut fand. "Die Demo ist sicher nicht der Auslöser, dass Guttenberg zurücktritt, aber es ist ein Steinchen in der Nachrichtenlage." Bei Twitter und Facebook gibt es schon Aufrufe, die Proteste am kommenden Samstag zu wiederholen.
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