Protest gegen Museum: Toleranz auf muslimischen Gräbern
Israels Oberster Gerichtshof genehmigt den umstrittenen Bau eines Museums für Würde und Toleranz auf einem muslimischen Friedhof in Jerusalem. Die Toten sollen verlegt werden.
Auf den ersten Blick erscheint die Wahl des Ortes für das Toleranzmuseum nur logisch, wären da nicht die kritischen Stimmen, die gegen die Entweihung des alten muslimischen Mamila-Friedenshofs in Jerusalem protestieren. "Ginge es um zwei oder drei Gräber, dann könnte man einen Kompromiss finden, aber hier sind bei den ersten Bauarbeiten schon tausend Gräber gefunden worden", schimpft der palästinensische Anwalt Seif Durgham, Repräsentant dreier Familien, deren Angehörige auf dem umstrittenen Land begraben liegen.
Ihr Gegner ist das Simon-Wiesenthal-Zentrum, das nicht ablassen will von dem Grundstück im Stadtzentrum. In diesen Tagen endete der über zweijährige Rechtsstreit mit einem Urteilsspruch des Obersten Gerichtshofs zugunsten des Wiesenthal-Zentrums. Für 250 Millionen Dollar soll nun ein hochmodernes Gebäude entstehen: das "Zentrum für menschliche Würde und Toleranz".
Nach Ansicht der Richter ist der Vorschlag der Museumsplaner, sämtliche Skelette, die bei den Bauarbeiten gefunden werden, an einem anderen Ort neu zu bestatten, "ausreichend", um den religiösen Empfindlichkeiten beim Umgang mit den Toten entgegenzukommen. Das Gericht wies die Befürchtung zurück, dass der Museumsbau an einem derart umstrittenen Ort zu öffentlichem Aufruhr führen könnte. Dies sei, so die Urteilsbegründung, schließlich auch nicht der Fall gewesen, als die Stadtverwaltung in den Sechzigerjahren auf einem Teil des Friedhofs einen Parkplatz errichten ließ.
Tatsächlich bahnt sich Protest an, und fast täglich pilgern islamische Gruppen zu dem umstrittenen Gelände. Das israelisch-palästinensische Informationszentrum IPCRI rief per Internet dazu auf, mit Briefen an Politiker beider Seiten diesen "gefährlichen Schritt" zu verhindern. "Stellt euch vor", so appelliert IPCRI, "was in Europa passieren würde, in Deutschland oder Österreich, wenn man dort auf einem jüdischen Friedhof ein Toleranz-Museum errichten wollte."
Das Wiesenthal-Zentrum hatte das Grundstück von der Stadtverwaltung Jeruslems erworben, als der heutige Premierminister Ehud Olmert dort noch Bürgermeister war. Im Frühjahr 2006 musste der Bau, nachdem die ersten Gräber gefunden wurden, eingestellt werden.
"Alle Bürger Israels, Juden wie Nichtjuden, sind die wahren Nutznießer dieser Entscheidung", kommentierte Rabbiner Marvin Hier, Chef des Wiesenthal-Zentrums das Gerichtsurteil. Das Museum solle "die Prinzipien des gegenseitigen Respekts und sozialer Verantwortung vorantreiben". Die muslimischen Behörden lehnten die Angebote, die Gräber zu verlegen, mit dem Hinweis auf die "Heiligkeit des Friedhofs" ab. "Es ist unmoralisch, den Bau wiederaufzunehmen", sagt Anwalt Durgham. "Wenn sie weitergraben, werden sie mehr Skelette finden."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Gespräche in Israel über Waffenruhe
Größere Chance auf Annexion als auf Frieden
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Krieg in der Ukraine
USA will Ukraine Anti-Personen-Minen liefern