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Protest gegen Kita-MitarbeiterinEltern gegen Erzieherin

Eltern in Lüneburg rufen zum Warnstreik gegen eine Kita-Angestellte mit rechten Verstrickungen auf. Die Kinder bringen sie während des Streiks woanders unter.

Hier gehen am Dienstag nur wenige Kinder hin: Eltern haben beschlossen, die Lüneburger Kita am Marienplatz zu bestreiken. Bild: Andreas Speit

LÜNEBURG taz | Die Erzieherinnen im Kindergarten Marienplatz in Lüneburg werden am Dienstag nicht viel zu tun haben. Denn die meisten ihrer Schützlinge werden nicht kommen. Seit sieben Uhr hat die Initiative „Eltern gegen Rechts“ zum „Warnstreik gegen die rechte Erzieherin“ aufgerufen. Der Anlass: Die mögliche Rückkehr von Birkhild T. „Wir wollen nicht, dass diese Erzieherin Kinder betreut“, sagt ein Vater. Sein Sohn geht in diese Kita, seine Tochter soll bald.

Am Montag hatte die Initiative zu einem Pressegespräch geladen. „Wir sind sehr besorgt, dass Frau T. unsere Kinder betreuen könnte“, sagt die Mutter einer vierjährigen Tochter. Die Initiative vertritt 40 der 60 Kinder der Einrichtung. „Diese Nachricht hat mich enorm verschreckt“, sagt auch der Vater eines vierjährigen Jungen.

Die besorgniserregende Nachricht von der die Eltern sprechen, war das Urteil des Arbeitsgerichts Lüneburg. Aus der Presse erfuhren die Eltern, dass das Gericht am 10. Oktober entschieden hat, dass die Erzieherin in einem Kindergarten arbeiten darf.

„Ich war geschockt. Als ich meine Tochter anmeldete, fragte ich extra ob Frau T. wiederkommt. Nein hieß es damals“, sagt eine Mutter. Aus Sorge, von Rechtsextremen bedroht zu werden, bitten die Eltern anonym zu bleiben. „Ich habe Angst“, sagt ein Vater. Andere nicken zustimmend.

Im August 2010 hatte die taz die rechten Verbindungen Birkhild T.s aufgedeckt. In der Kita war sie nach mehrfacher Mutterschaft erst seit wenigen Tagen beschäftigt. Die sechsfache Mutter ist mit einem NPD-Funktionär aus Mecklenburg verheiratet. Eine Aussteigerin sagte der taz, dass T. bei einer rechten Frauengruppe mitwirkte. Nach dieser Veröffentlichung suspendierte die Stadt T., sie selbst meldete sich krank. Einer Versetzung stimmte sie nicht zu, was zu dem Rechtsstreit führte.

Im Gespräch sagen die Eltern, dass sie einer Frau „nicht vertrauen“, die die eigenen Kinder zu der mittlerweile verbotenen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ) schickte und zur NPD ließ. Vertrauen ist das Wort, das immer wieder fällt. Es ist weg.

Die Eltern können auch die Urteilsbegründung nicht nachvollziehen, dass es „auf die politische Gesinnung ihres Ehemannes“ für die Entscheidung nicht ankam. „Uns geht es um die Frau. Wir halten sie für eine politische Frau, die genau weiß, was sie tut“, sagt ein Vater. „Bei jemandem, der seine Kinder zur HDJ lässt, sie im nationalsozialistischen Geiste erziehen will, kann ich mir nicht vorstellen, dass sie mit Leidenschaft die demokratischen Werte, gar die antirassistische Ausrichtung des Kindertagesstättengesetzes vermittelt“, sagt er. „Man weiß doch nicht, was sie mit den Kindern macht, wie sie mit Kindern mit Migrationshintergrund umgeht, wenn sie alleine ist“, sagt eine Mutter. Schon jetzt sei die vertrauensvolle Atmosphäre in der Einrichtung dahin. „Die Erzieherinnen dürfen nicht über T. reden. Dieses Tabu belastet alle“, sagt ein Vater.

Den Streik hat die Initiative gut vorbereitet: Ab sieben Uhr hat sie eine andere Betreuung, den Haftpflichtschutz und Bio-Verpflegung organisiert. „Es ist ein symbolischer Akt mit dem wir die Stadt ermuntern wollen, weiterhin zu versuchen, dass Frau T. keine Kinder betreut“, sagt ein Vater. „In keiner Einrichtung“, schiebt eine Mutter nach.

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2 Kommentare

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  • A
    Adelheid

    Oh, doch, die Eltern brauchen sicher eine KiGa. Und zwar eine, in der demokratische ErzieherInnen arbeiten.

     

    Die KiGa-Plätze sind auch nicht frei geworden, sondern es scheint sich um einen symbolischen Akt zu handeln. Denn rein rechtlich, haben die Eltern wohl keine Handhabe. Außer den Kindergarten zu verlassen und Ihre Kinder in einen Kindergarten zu geben, in dem keine ErzieherInnen tätig sind mit Verstrickungen ins Neonazi-Umfeld.

     

    Aufgefüllt würden die freien Plätze [so die Eltern tatsächlich kündigen würden] dann wohl mit Kindern aus rechtsradikalen Familien, denn: wer sonst mag dort noch sein Kind hinschicken?

     

    Und dann hat Lüneburg seinen ersten rechtsaffinen Kindergarten. Direkt hinterm Rathaus. Ich fände das, wie die Eltern, nicht wünschenswert.

     

    Eine unbegründete Hexenjagd ist es wohl - leider - nicht. Sie können ja mal im Buch "Mädelssache!: Frauen in der Neonazi-Szene" von Andrea Röpke und Andreas Speit recherchieren. Dort sollten sie fündig werden.

     

    Ich finde es auch unklug und polemisch zu behaupten, wenn man keine Neonazi-Erzieherin will, würde man bei einer linksradikalen Erzieherin applaudieren? Das ist doch Quatsch.

     

    Ein bisschen aufwändiger kann man schon kommentieren.

  • O
    Offensichtlich

    Brauchen die Eltern keine öffentliche Kita. Ist doch wunderbar, so sind 40 Kita-Plätze von einem Moment auf den anderen freigeworden.

     

    Das ganze erinnert mich an eine Hexenjagd. "Man weiß ja nicht, wie sie mit Kindern umgeht, wenn sie allein ist", jaja. Als wüsste man das bei irgendwem. Bei einem glühenden Linksparteimitglied, deren letzte Diktatur mit jeder Menge Mord und Verschleppung nicht mal 25 Jahre zurückliegt, hätten diese Art von Eltern wohl applaudiert, wenn den Kindern was vom bösen Wesen der kapitalistischen Verwertungslogik erzählt wird.

     

    Nee, last mal. Organisiert eure heile Welt eben selbst, auf eigene Kosten.