Protest gegen AfD-nahe Veranstaltung: Auch Hönow stellt sich quer
Eine bunte Menge demonstriert am Freitag am Berliner Stadtrand gegen einen „Alternativen Kulturkongress“. Der wird dann prompt abgesagt.
Als Referent*innen waren dort unter anderem Christina Baum, Armin Paul Hampel und Angelika Barbe geladen. Baum ist AfD-Bundestagsabgeordnete und gilt als Rechtsaußen, genauso wie Ex-MdB Hampel. Die frühere DDR-Bürgerrechtlerin Angelika Barbe war zumindest bis 2023 noch Mitglied der Berliner CDU und macht sich heute als Pandemieleugnerin einen Namen.
Am Freitagabend wurde in dem Restaurant allerdings weder die Pandemie noch der Holocaust geleugnet, denn: „Die Veranstaltung wurde wegen uns abgesagt“, ruft eine junge Frau ins Mikrofon. Die Demonstrierenden applaudieren. „Alle zusammen gegen den Faschismus“, rufen sie begeistert. Auf selbst gemalten Plakaten und Transparenten steht „Brandstifter stoppen“ und „Hass macht hässlich“. Dass 100 Menschen gekommen sind, ist für sie ein Erfolg: „Wir standen hier schon mit 40 Leuten“, sagt eine der Organisator*innen anschließend zur taz.
Es ist bei Weitem nicht die erste Kundgebung vor dem „AfD-Dauertreffpunkt“ und wird auch nicht die letzte sein, denn da die Partei in Berlin kaum noch Veranstaltungsorte findet, hat sich das griechisch-bulgarische Restaurant am Stadtrand zu einem der wichtigsten Treffpunkte und Veranstaltungsorte der Berliner und Brandenburger AfD und anderer Gruppen und Akteur*innen der extremen Rechten entwickelt. Hier waren schon Jürgen Elsässer, Götz Kubitschek und „Bernd“ Höcke zu Gast. Zuletzt soll die Junge Alternative hier am 29.12. ein Rechtsrock-Konzert veranstaltet haben.
„Kleine Sachen vor Ort sind wichtiger“
„Unser Ziel ist, dass keine Veranstaltung mehr stattfindet!“, ruft die Moderatorin. Eine der Rednerinnen, es sind alles Frauen, informiert ausführlich über die Umtriebe des „Alternativen Kulturkongresses“ und den Inhalt der rechten Gespräche. Andere Beiträge thematisieren die AfD, die Gefahr eines aufsteigenden Faschismus und die Bedeutung, sich zu organisieren und aktiv zu werden.
Viele der Demonstrant*innen haben schon öfter hier protestiert, aber etwa die Hälfte steht zum ersten Mal vor dem rechten Restaurant. Drei von ihnen, zwei Frauen und ein Mann aus Mahlsdorf zwischen 23 und 51, wollen ihre Namen lieber für sich behalten, finden es aber „unverzichtbar“, heute hier zu sein.
Sie waren vor zwei Wochen auf einem Protest, haben sich dann über Instagram vernetzt und so von dieser Kundgebung erfahren. „Kleine Sachen vor Ort sind wichtiger“, sagt der junge Mann mit Blick auf die Großkundgebung am Samstag. Die AfD sei eine Gefahr für die kleinen Orte, eine Vernetzung sei daher wichtig. „Wir wollen dranbleiben“, verspricht er.
Musikalische Darbietungen nahe der Schmerzgrenze
Die Kundgebung wird nun zu einer Art bürgerlichem Speakers’ Corner. Eine Frau aus Hönow schlägt regelmäßige antirassistische Spaziergänge vor. Es sprechen Frauen von der SPD und der Linkspartei. Andrea Timm von der SPD Hoppegarten hat extra ihre Gitarre mitgebracht und intoniert nun einen Song von Drafi Deutscher.
Eine andere Frau trägt ein Gedicht von Konstantin Wecker vor („misch dich ein – sag nein“). Auch eine junge Frau aus Hönow positioniert sich am Mikrofon gegen die AfD: „Ich stehe dazu, dass ich mich auf dem Boden des Grundgesetzes befinde“, ruft Sarah Weinreich, die ebenfalls SPD-Mitglied ist. „Nie wieder ist auch hier in Hönow!“
Tatsächlich ist die Berliner Innenstadt weit weg an diesem Abend. Das Brandenburger Bündnis „Kein Acker der AfD“ hat die Kundgebung organisiert. Das Spektrum ist bürgerlich, von ziemlich jung bis ziemlich alt, die Leute kommen aus Strausberg, Bad Freienwalde, Neuenhagen, Seelow und Berlin.
Die Stimmung ist gut, man hat etwas erreicht und bekommt das Gefühl, dass hier tatsächlich ein breiteres Protestbündnis im Entstehen ist. Aber als die Teilnehmenden ihre Smartphones aufleuchten lassen und Andrea Timm zum Abschluss noch den Protestsong-Gassenhauer „We Shall Overcome“ anstimmt, gerät der Protest dann doch nahe an die Schmerzgrenze.
„Wir werden immer wieder dagegen protestieren“
Während im Restaurant eine Geburtstagsfeier vorbereitet wird, löst sich die entspannte Kundgebung auf, aber sie soll nicht die letzte gewesen sein: „Wir werden immer wieder dagegen protestieren, bis sich der ‚Mittelpunkt der Erde‘ von seinen rechten Stammgästen verabschiedet“, so eine der Organisator*innen.
Der Protest sei „voll cool und erstaunlich“, sagt sie anschließend zur taz, „aber langfristig braucht es mehr, als nur gegen die AfD zu sein und nur zu protestieren. Die Frage ist, wie man die Mobilisierungen dauerhaft hinkriegen kann.“ Letztlich gehe es darum, für eine andere Gesellschaft einzutreten.
Aber erst mal sind weitere Kundgebungen geplant, wie am 8. Februar in Seelow und am 11. Februar in Neuenhagen. Und dann steht auch bald schon die Europawahl an.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen