Protest für Abschiebestopp: Bespuckt und bedroht
Flüchtlinge und die Opposition demonstrieren für einen Abschiebestopp im Winter. Innensenator Frank Henkel (CDU) bleibt hart.
Gedämpft spricht Luka ins Mikrofon, unsicher. „Ich will einfach nur zur Schule gehen. Zeigen, dass ich's kann.“ Als der 19-jährige Asylbewerber nach wenigen Sätzen das Mikro wieder senkt, applaudieren die Mitdemonstranten. „Bleiberecht überall!“, rufen einige.
Rund 50 Menschen, darunter Flüchtlinge aus dem Kreuzberger Protestcamp, versammelten sich am Freitag vor der Behörde von Innensenator Frank Henkel (CDU) in der Klosterstraße in Mitte. Ihre Forderung: ein Winterabschiebestopp für Asylbewerber. „Alle Flüchtlinge verdienen eine Bleibeperspektive“, ruft Berenice Böhlo vom Flüchtlingsrat. „Ein Abschiebestopp für den Winter, wenn es in den Balkanstaaten besonders schwierig ist, ist das Mindeste.“ Redner von Grünen, Linken und Piraten verweisen auf Bundesländer, in denen bis zum Frühjahr nicht abgeschoben wird – wie es unausgesprochen auch unter Berlins Ex-Innensenator Ehrhart Körting (SPD) galt.
In Berlin wurden dagegen erst Anfang Dezember acht Flüchtlinge nach Serbien abgeschoben, deren Asylanträge abgelehnt wurden. Henkel schickte ein Empfehlung hinterher: Eingereiste aus den Balkan-Ländern mit abgewiesenen Anträgen sollten lieber „freiwillig“ ausreisen. „Was sollen diese Menschen in Ländern, in denen sie nichts haben außer Armut und Ausgrenzung?“, fragt dagegen die Grüne Canan Bayram.
Auch Lukas Eltern sind Serben. In Berlin geboren, zog er mit acht Jahren mit ihnen in ein Dorf bei Belgrad. Immer, als klar wurde, dass sie Roma seien, seien sie außen vor geblieben, erzählt der junge Mann. „Wir wurden bespuckt und bedroht“. Jobs seien ihnen verwehrt worden, mehrmals musste die Familie umziehen. Deshalb seien sie 2010 wieder zurück nach Berlin. Ein erneuter Asylantrag scheiterte: Lukas Eltern sollen am 8. Januar abgeschoben werden, sein eigener Fall ist noch bei der Härtefallkommission.
Hinter der von zwei Polizisten abgeschirmten Tür von Henkels Amtssitz will man sich zu dem Protest nicht äußern. Die Position des Senats sei bekannt, sagt eine Sprecherin lediglich: „Es gibt keinen Abschiebestopp über den Winter.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid