piwik no script img

Protest der Behinderten-AssistenzCare-Sektor braucht Kümmerer

Behinderten-AssistentInnen fordern Tariflöhne. Die Senatssozialverwaltung bedauert: Ihr seien in diesem Konflikt die Hände gebunden.

Auch Behinderte unterstützen die Forderungen der AssistentInnen. Bild: dapd

"Tariflöhne für alle, sonst gibts Krawalle." Mit diesem und anderen Slogans demonstrierten am Mittwoch rund 150 Beschäftigte und AktivistInnen von Behindertenverbänden vor der Senatsverwaltung für Soziales in Kreuzberg. Ihr Anliegen: eine bessere Bezahlung der Behinderten-AssistentInnen. Krawalle gab es aber nicht - und der hartnäckige Sommerregen zerstreute die Gruppe schneller als geplant.

"Nach über zehn Jahren Lohnstagnation und massiven Lohnabsenkungen für Neubeschäftigte ist unsere Geduld erschöpft", bringt Carsten Does vom Betriebsrat bei Ambulante Dienste e. V. die Stimmung der Beteiligten auf den Punkt. Dabei wissen alle, wie schwer ein Kampf um bessere Arbeitsbedingungen im Pflegebereich ist, der auch als "Care-Sektor" bezeichnet wird. Niedrige Löhne und ungeregelte Arbeitszeiten sind an der Tagesordnung. "Pro Care statt prekär" lautet denn auch die Parole der Protestaktionen.

Bereits vergangene Woche hatten die AktivistInnen die Senatsverwaltung kurzzeitig besetzt. Sie protestierten dagegen, dass die Beschäftigten nicht an den Neuverhandlungen des Vergütungsvertrags zwischen Kostenträgern und Anbietern von persönlicher Behindertenassistenz beteiligt sind. Das schließe das Sozialgesetzbuch aus, erklärt dazu die Sprecherin der Sozialverwaltung, Anja Wollny. Allerdings könnten die Einrichtungsträger Vertreter der Beschäftigen in die Gespräche einbeziehen. Während Wollny Befürchtungen der Betroffenenverbände entgegentrat, der Kreis der Leistungsberechtigten solle weiter eingeschränkt werden, berichtet Betriebsrat Does, in einer Betriebsversammlung seien solche Pläne auf den Tisch gekommen.

Wollny bedauerte, der Senat habe keine gesetzliche Handhabe, um eine Tarifbezahlung der PflegeassistentInnen durchzusetzen. Einen Hebel für die Beschäftigten sieht sie in einem Urteil des Bundessozialgerichts von 2009: Danach können Betriebe, die nachweislich Tariflöhne zahlen, ihre Mehrkosten ersetzt bekommen.

In dieser Entscheidung sieht Wollny den Versuch des Gerichts, der Dumpinglohn-Strategie entgegenzutreten. Da ist der Betriebsratsvorsitzende der Ambulanten Dienste, Muchtar Cheik Dib, skeptischer. Das Urteil werde völlig unterschiedlich ausgelegt, sagte er der taz. "Während die Gewerkschaften darin eine Förderung von Tariflöhnen sehen, sprechen die Arbeitgeber von marktüblichen Löhnen, die aber deutlich niedriger sind."

Ein Problem sieht Cheik Dib auch darin, dass es bei der Behindertenassistenz keine Vertragspartner gebe. Deshalb würden die Beschäftigten den Druck auf den Senat noch erhöhen. Zumindest die Sozialverbände unterstützen sie. "In dieser Frage ziehen wir an einen Strang", erklärte die Geschäftsführerin der Ambulanten Dienste, Uta Wehde.

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

1 Kommentar

 / 
  • K
    Kümmerer

    Der Autor des Beitrages - die Beobachtung trügte mich bisher offensichtlich nicht.

    Dabei decken sich meine Beobachtungen, die bei Nowak in die Erhöhung von Assistenten münden, die Nowak mit dem Wort "Kümmerer" beschreibt.

    Bei Herrn Nowak gibt es offensichtlich Übermenschen (Kümmerer) und - wo Übermenschen, da (als Pendant dazu) die *Untermenschen*, die hier offensichtlich Behinderte zu sein haben.

    Herr Nowak ist mir bisher immer so aufgefallen, dass er sich von Behinderten abgewendet oder diese von oben herab angemacht / *belehrt* hat.

    Hierzu passt wiederum die Erhöhung von Assistenten zu "Kümnmerern".

     

    Anmerkung der Redaktion: Der Begriff "Kümmerer" taucht nur in der Überschrift auf und stammt nicht von Peter Nowak. Gemeint ist auch nicht "Assistenten = Kümmerer". Das Wortspiel soll nahelegen, dass der "Care-Sektor", also die AssistentInnen selber, jemanden brauchen, der sich um sie kümmert bzw. ihnen unter die Arme greift. Viele Grüße, d. Red.