Protektionismus für Marktstände: „Ausländer raus“ aus Ghana
Asiaten und Nigerianer ergreifen ihre Chancen im blühenden Einzelhandel des westafrikanischen Boomlands Ghana. Dem schiebt die Regierung jetzt einen Riegel vor.
ACCRA taz | Am 21. Juni ist Schluss. Ab diesem Datum dürfen in Ghana nur noch Ghanaer Marktstände und Kioske betreiben oder auf der Straße Waren verhökern. Ghanas Handelsministerin Hannah Tetteh bestätigte jetzt den Stichtag, der erhebliche Auswirkungen haben dürfte.
Denn Ghana ist aufgrund seiner neu aufgenommenen Ölförderung die derzeit schnellstwachsende Volkswirtschaft Afrikas und zieht unzählige Kleinhändler aus anderen westafrikanischen Ländern wie Nigeria, aber auch aus Indien und China an. Ghanaische Händlerinnen und Händler beschweren sich darüber regelmäßig.
Der Einzelhandel sei laut Gesetz für ghanaische Staatsbürger reserviert, sagte die Handelsministerin, und die Ausländer sollten ihre Geschäfte entweder verlegen oder „den Konsequenzen ins Auge sehen“. Wer sich nicht an die Deadline halte, dem werde die Geschäftslizenz entzogen. „Wir haben eine Task Force eingesetzt, die herausfinden wird, ob die Leute sich an die Anweisungen halten; wenn sie das nicht tun, bitten wir sie, ihre Läden dichtzumachen und die Ausreise vorzubereiten.“
Ghanas Investitionsfördergesetz von 1994 schreibt vor, dass jeglicher Einzelhandelsverkauf auf Märkten und Straßen „ausschließlich Ghanaern vorbehalten“ ist. Um Geschäfte in Ghana zu betreiben, brauchen Ausländer ghanaische Partner, außer wenn sie hohe Kapitalhürden überwinden.
Kleinhändler können die Bedingungen nicht erfüllen
Selbst wenn sie einheimische Partner haben, müssen sie mindestens 10.000 US-Dollar eigenes Kapital investieren, Händler sogar mindestens 300.000. Für Großinvestoren ist das kein Problem: Allein im ersten Vierteljahr 2012 strömten 980 Millionen US-Dollar Auslandsinvestitionen nach Ghana, mit China als wichtigstem Investor und Straßenbau, Zuckerverarbeitung und gehobenem Wohnungsbau als wichtigsten Projekten. Aber Kleinhändler können die Mindestbedingungen nicht erfüllen.
Dass es trotzdem so viele ausländische Kleinhändler in Ghana gibt, führt George Ofori, Präsident des ghanischen Händlerverbands Guta, darauf zurück, dass ghanische Unternehmer reiche Ausländer als „Vertreter“ einstellen. Diese würden dann hunderte Containern voller billiger Importwaren ins Land bringen und ihre Profite außer Landes schaffen. Er begrüßte die Maßnahmen der Regierung. „Die Ministerin kümmert sich einfach darum, dass Leute, die unsere Gesetze nicht einhalten, zur Rechenschaft gezogen werden.“
Auch Friseure dürfen künftig nur Ghaner sein
Außerdem wird das Gesetz weiter verschärft. Ein neuer Gesetzentwurf sieht vor, dass weitere Wirtschaftssektoren in Zukunft Ghanaern vorbehalten sein sollen wie etwa Kioske, Taxis, Friseur- und Schönheitssalons sowie die Herstellung von Prepaid-Rubbelkarten für Handys. Letzteres soll die produktive Wirtschaft in Ghana fördern, sagte Kommunikationsminister Alhaji Haruna Iddrisu.
Der Gesetzentwurf geht demnächst ins Parlament, kurz vor den Wahlen Ende 2012. Der informelle Sektor, der besonders von ausländischer Konkurrenz betroffen ist, macht 70 Prozent der ghanaischen Volkswirtschaft aus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Abschiebung von Pflegekräften
Grenzenlose Dummheit
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Schuldenbremsen-Dogma bröckelt
Auch Merz braucht Geld
Altvordere sollen Linke retten
Hoffen auf die „Silberlocken“