: Protein-Kartoffeln für die Armen
Indiens Regierung will gentechnisch veränderte Kartoffel zulassen. Die mit Proteinen angereicherte Sorte soll kostenlos an Schulkinder verteilt werden. Experten sind gespalten: Hilfe gegen den Hunger oder „trojanisches Pferd“ für die Gentechnik?
von WOLFGANG LÖHR
„Protato“ heißt der neue Hoffnungsträger zur Bekämpfung der Unterernährung in Indien. Protato ist eine gentechnisch veränderte Kartoffelsorte, die ein Drittel mehr Proteine enthält als normalerweise in den Knollen vorhanden ist. Noch prüfen die indischen Behörden, ob die an der Jawaharlal-Nehru-Universität in Neu Delhi entwickelte Gentech-Kartoffel ohne Risiko für Mensch und Umwelt kommerziell angebaut werden kann. Erwartet wird jedoch, dass die Zulassungsbehörde innerhalb der nächsten sechs Monate grünes Licht geben wird. Geplant sei, die Kartoffeln an staatlichen Schulen kostenlos Millionen von Kindern zur Verfügung zu stellen, erklärte der Leiter des Staatlichen Biotechnologie-Departments, Manju Sharma.
Das sei wieder einmal ein trojanischen Pferd, mit der die Gentechnologie der Bevölkerung schmackhaft gemacht werden soll, heißt es in einem von der „Research Foundation of Science Technology and Ecology“ (RFSTE) herausgebenen Stellungnahme. Das von der indischen Gentech-Kritikerin Vandana Shiva gegründete Institut engagiert sich gegen den Anbau von Gentech-Pflanzen. Erst wurde behauptet, der mit Vitamin A angereicherte Goldene Reis werde das Ernährungsproblem lösen, „jetzt ist es die Proteinkartoffel“, heißt es in dem RFSTE-Papier. Statt genmanipulierter Pflanzensorten sollte die reichhaltige indische Pflanzenvielfalt genutzt werden. So sei in die Protato-Kartoffel ein Gen des Amaranth eingeführt worden, das für die Proteinanreicherung sorgt. Anstatt die Nutzung des proteinreichen Amaranths selbst zu fördern, werde wieder einmal auf die Gentechnologie gesetzt, kritisiert die RFSTE.
Unterstützung bekommt die Stiftung von dem indischen Forscher Devinder Sharma. Er bezeichnete gegenüber der britischen BBC die Protato-Strategie als riskant und naiv. Es sei ein Propagandawerkzeug, um die Akzeptanz der Gentechnologie zu fördern. Die in Indien angebauten Hülsenfrüchte hätten, so Sharma, einen vielfach höheren Proteingehalt als die Gentech-Kartoffel.
Die indische Molekularbiologin und Gründerin der Anti-Patentierungsorganisation Gene Campaign, Suman Sahai, sieht hingegen durchaus die Möglichkeit, dass die Protato-Kartoffel bei dem Ernährungsproblem Abhilfe schaffen kann. Besser die Gentechnologie werde hierfür genutzt, anstatt zur Herstellung von Herbizid-resistenten Pflanzen, sagte Sahai. Ein Vorteil sei, so Sahai, dass Karoffeln billig seien, im Unterschied zu den Hülsenfrüchten. Es müsse nur sichergestellt werden, dass von den Kartoffeln kein Risiko ausgehe. Auch das UN-Entwicklungsprogramm UNDP hat sich in seinem Jahresbericht 2001 für die Nutzung der Gentechnik zur Bekämpfung des Hungers ausgesprochen.
Laut Greenpeace ist die Sicherheitsfrage jedoch noch nicht geklärt. „Bisher weiß man nur, dass Amaranth keine Allergien auslöst“, sagt Gentech-Experte Henning Strodthoff. Noch müsse geklärt werden, ob auch die neue Kartoffel allergenfrei sei. Dass dies binnen sechs Monaten geschieht, bezweifelt Greenpeace.