: Prost aufs Gewissen
DURST Aus Kaffeekirschen haben Bastian Senger und Bastian Muschke eine Brause mit öko-sozialem Anspruch gebraut
von André Zuschlag
Bei der Kaffeeproduktion sind die Früchte der Pflanze ein Abfallprodukt. Als der Hamburger Bastian Muschke vor einigen Jahren eine Nacht auf einer Kaffeefarm in Brasilien verbrachte, fielen ihm die Kaffeekirschen auf, die bergeweise herumlagen. Außer den Bohnen wird von der Pflanze nichts weiter gebraucht. „Manche der Farmangestellten brühten sich einen Tee daraus“, sagt Muschke, „aber ansonsten vergammelten sie dort einfach.“
Vor zwei Jahren saß der gebürtige Lübecker Muschke dann mit Bastian Senger zusammen. Beide sind studierte Wirtschaftsingenieure und kennen sich aus Lübeck – Muschke arbeitete mit erneuerbaren Energien, Senger als Unternehmensberater. Sie fragten sich, ob sie denn nicht nochmal etwas Sinnvolles auf die Beine stellen sollten. Dann erinnerte sich Muschke an die Kaffeefrüchte.
Vielfach entsteht in Produktionsprozessen Abfall, der noch genutzt werden kann. Diesen Prozess bezeichnet man als Upcycling. Statt weggeworfen zu werden, kann man den vermeintlichen Abfall wiederverwerten. Mit den Kaffeekirschen fanden Muschke und Senger den idealen Rohstoff, der sonst keine Verwendung findet. Heraus kam ein neues Erfrischungsgetränk: Caté.
Nach Kaffee schmeckt Caté indes nicht. „Es ist ja in erster Linie ein Getränk auf Teebasis“, sagt Muschke. Mit Kohlensäure und Zucker versetzt erinnert Caté an Eistee. Der Zuckeranteil von fünf Prozent ist deutlich geringer als bei üblichen Erfrischungsgetränken. „Caté ist deshalb nicht so süß, sondern wirklich fruchtig“, sagt Muschke. Der Koffeinanteil entspricht etwa zwei Tassen Espresso. „Wer keinen Kaffee mag, kann sich morgens mit Caté pushen“, schlägt Senger vor. Abends kann Caté mit Rum oder Gin gemixt werden. Vor allem aber ist Caté ein klassisches Sommergetränk.
„Noch eine neue Brause!“, wird sich mancher denken. Tatsächlich ist der Getränkemarkt in den vergangenen Jahren mit neuen Produkten gewaltig gewachsen. „Die Konkurrenz haben wir anfangs ein bisschen unterschätzt“, sagt Muschke. Aber die Beharrlichkeit, mit der sie ihre Idee bei BetreiberInnen von Bars, Restaurants oder Hotels vorstellten, hat sich bezahlt gemacht. Ihr Ansatz überzeugte.
„Ökologische und soziale Aspekte eines Produkts sollen im Mittelpunkt stehen“, sagt Senger, der Grünen-Mitglied ist. Sie wollten ihre wirtschaftlichen Fähigkeiten nutzen, um Verantwortung zu übernehmen. Die beiden verstehen Caté als Hebel, um eine Botschaft zu vermitteln. Muschke sagt: „Wir wollen zeigen, dass Erfolg auch dann möglich ist, wenn man Verantwortung für gute Arbeitsbedingungen und eine nachhaltige Produktion übernimmt.“
Deshalb haben die beiden ein Unternehmen gegründet, das gemeinwohlorientiert arbeitet. „Jeder in der Produktionskette soll ein Stück vom Kuchen abbekommen“, sagen sie. Dafür haben sie sich mit einem Kaffeefarmbesitzer aus Panama zusammengetan. Er zahlt seinen Angestellten gute Löhne, dafür kaufen ihm Senger und Muschke die Schalenreste ab. „Alle an der Produktion Beteiligten profitieren davon“, sagt Muschke.
„Sieben Monate haben wir am Rezept gearbeitet“, berichtet Senger vom Entstehungsprozess. Sogar seine Hochzeitsgesellschaft musste das Getränk probieren und bewerten. Rund 400 Meinungen haben sie eingeholt, ehe sie sich im vergangenen Herbst für ein Rezept entschieden. Es ist frei von Zusatzstoffen. Das Koffein in den Schalenresten reicht für das Erfrischungsgetränk aus. „Caté ballert also nachhaltig“, sagen sie dazu.
Beim Upcyclingwerden Abfallprodukte wiederverwertet oder nicht benötigte Stoffe benutzt, um neue Produkte herzustellen. Damit kann Müll vermieden werden. Wegwerfprodukte werden in neue, höherwertige Waren umgewandelt.
Im Unterschied zum Recycling, wo das Material häufig nicht mehr auf die ursprüngliche Qualität gebracht werden kann, werden Stoffe durch das Upcycling aufgewertet. So kann ein alter Autoreifen für die Herstellung von Schuhsohlen verwendet werden.
Gerade in ärmeren Ländernist das Upcycling eine übliche Methode zur Herstellung von Produkten, weil die Kosten deutlich geringer sind als bei der Herstellung neuer Produkte.
Die ersten 7.500 Flaschen gingen schnell weg. Nun werden weitere 25.000 Flaschen produziert. Die Kaffeefarm in Panama liefert dafür langfristig nicht genug Kaffeekirschen. „Wir stehen mit einer Farm in Äthiopien in Kontakt“, sagt Muschke. Caté könnte dann aufgrund der anderen Pflanzensorte etwas anders schmecken. „Aber das ist ja auch das Spannende an unserer Arbeit“, findet er.
Ökologische Verantwortung geht für die beiden über das Upcycling hinaus. „Mit den ersten Gewinnen wollen wir Solarzellen für die Kaffeefarm in Panama finanzieren“, sagt Muschke. Derzeit werde dort der Betrieb mit Dieselmotoren gesichert. Das geht ökologischer, findet der Energie-Experte Muschke.
Auch gebe es verschiedene Möglichkeiten, die Bohnen von den Kirschen zu trennen: „Entweder mit viel Wasser oder mit ganz viel Wasser“, sagt Senger. Etwa 140 Liter werden im üblichen Produktionsprozess für eine Tasse Kaffee verbraucht. Sie arbeiten gemeinsam mit der Farm daran, den Wasserverbrauch zu minimieren.
Mittelfristig wollen die beiden Caté deutschlandweit anbieten. Bisher konzentrieren sie sich noch auf den Hamburger Raum. Bis dahin soll auch mindestens eine Kaffeefarm vollständig nach sozialen und ökologischen Standards funktionieren. Damit hätten sie bewiesen, dass man Erfolg auch abseits von purem Profitinteresse haben kann.
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