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Promotion und SchmiergelderBares gegen Doktor-Titel

Einhundert Professoren sollen bundesweit für Geld ungeeignete Kandidaten als Doktoranden akzeptiert haben. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft Köln.

Doktorhut - jetzt käuflich? Bild: dpa

KÖLN dpa | Bundesweit stehen rund 100 Professoren wegen des Verkaufs von Doktortiteln im Visier der Justiz. Ihnen werde vorgeworfen, möglicherweise ungeeignete Kandidaten als Doktoranden angenommen zu haben, sagte der Kölner Oberstaatsanwalt Günther Feld am Sonntag. Ein "Institut für Wissenschaftsberatung" in Bergisch Gladbach soll den Hochschullehrern dafür Schmiergelder gezahlt haben. Ermittler hatten bereits im März 2008 den Sitz des Instituts durchsucht.

"Wir haben nach der Razzia eine Unmenge an Material ausgewertet", sagte Oberstaatsanwalt Feld. "Dabei hat sich der konkrete Verdacht gegen die jetzt Beschuldigten ergeben." Bei ihnen handelt es sich um Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen. Die meisten Verdächtigen seien keine sogenannten ordentlichen Professoren, sondern Aushilfsprofessoren oder Privatdozenten. Sie sollen ihre Dienstpflichten verletzt haben, wonach sie Doktoranden unentgeltlich betreuen müssen. Außerdem sei die freie Auswahl der Promotionsstudenten durch die Geldzahlungen womöglich beeinträchtigt worden.

Die Bergisch Gladbacher Wissenschafts-Beratungsfirma hatte bundesweit mit Anzeigen in Zeitungen und Fachzeitschriften für die Vermittlung von Doktortiteln geworben. Den Promotionswilligen wurde versprochen, einen geeigneten Professor zu suchen und bei der Themenfindung behilflich zu sein. Dafür mussten die Kandidaten jeweils bis zu 20.000 Euro an das Institut zahlen. Für die Übernahme eines Promotionskandidaten sollen dann Professoren bis zu 4.000 Euro erhalten haben.

"In manchen Medien wird der Eindruck erweckt, die Kunden des Instituts hätten gar keine Doktorarbeiten geschrieben", erklärte Feld. "Das stimmt so nicht. Es geht nur um die Frage, ob die Professoren bei der Auswahl ihrer Kandidaten bestochen wurden." Es werde noch einige Zeit dauern, bis die zahlreichen Ermittlungsverfahren in diesem Fall abgeschlossen sind, betonte Feld. "Die müssen nach und nach abgearbeitet werden, die Geldflüsse müssen nachvollzogen werden. Zum Schluss werden wir einzeln entscheiden, ob wir das Verfahren einstellen oder ob wir einen Strafbefehl oder eine Anklage fertigen."

Nach einem Bericht des Focus sollen unter anderem Lehrkräfte von Hochschulen in Frankfurt, Tübingen, Leipzig, Rostock, Jena, Bayreuth, Ingolstadt, Hamburg, Hannover, Bielefeld, Hagen, Köln und die Freie Universität Berlin betroffen sein.

Das Hildesheimer Landgericht hatte den Geschäftsführer des Instituts bereits im vergangenen Juli wegen Bestechung in ähnlichen Fällen zu dreieinhalb Jahren Haft und 75.000 Euro Geldstrafe verurteilt. Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig

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8 Kommentare

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    klaus baum

    Ich habe dafür, mich offiziell Dr. nennen zu können, in den 80er Jahren DM 3.000.-- bezahlen müssen. Allerdings als Druckkostenbeteiligung beim Verlag Königshausen und Neumann. :--))

  • PD
    Prof. Dr. Gerold Wünsch

    Wieso Skandal? Ich verstehe die Aufregung nicht! Ich habe 83 Dissertationen betreut, darunter viele, die außerhalb meines Institutes gemacht wurden. Ich hätte weder Platz noch Mittel gehabt, den Ansturm anders zu bewältigen.Ich hätte nicht die Pflicht gehabt, diese Bürde auf mich zu nehmen. Ich habe es meinem Selbstverständnis zu Liebe getan, nämlich strebsamen Leuten auf ihrem Weg in die Wissenschaft zu helfen. - Wenn ich den aktuellen Krawall höre, kann ich nur sagen: Schade, dass nie jemand auf die Idee kam, mir für die viele Mehrarbeit ein Honorar anzubieten. Welches Gesetz hätte es mir denn verboten, es anzunehmen?

    Prof. (pens.) Dr. Gerold Wünsch

    ehem. Analytische Chemie, Univ. Hannover

  • JR
    Jens Reichert

    Lieber Herr Dr. Ippisch, Ihre Präzisierung des beschuldigten Personenkreises in Ehren: allerdings dürfte es sich bei der Einschränkung auf Honorarprofessoren und Privatdozenten tatsächlich um eine „Entlastungslegende der Ordinarien“ handeln. So jedenfalls Manuel Theisen, der sich seit Jahren mit der Thematik befasst (und damit übrigens auch meine Eindrücke bestätigt).

    Erinnern wir uns: zusammen mit dem Geschäftsführer einer auch jetzt wieder im Zentrum der Ermittlungen stehenden "Beratungs"gesellschaft kassierte letztes Jahr ein (ordentlicher) Professor der juristischen Fakultät an der Uni Hannover drei Jahre Freiheitsstrafe vom LG Hildesheim wegen Bestechlichkeit in 68 Fällen.

    Dass dieser Herr nur die Spitze eines Eisbergs markierte, konnte sich jeder denken, der im Umfeld bundesdeutscher Lehrstühle beruflich unterwegs ist.

    Theisen: "Auch wenn jetzt viele Privatdozenten und Honorarprofessoren in Verdacht geraten sind – das Gros der Fälle betreffe in Wirklichkeit Hochschullehrer mit eigenem Lehrstuhl. Privatdozenten hätten sich zwar habilitiert, erhielten aber oft schon nach wenigen Jahren einen Ruf. Und Honorarprofessoren hätten – wenn überhaupt – keine alleinige Promotionsberechtigung." Eben.

  • J
    Jackabum

    Man sollte auch einmal prüfen wo diese Priv-Doz

    und Profs sonst noch tätig sind.

    z.B. Prof an der Uni A und zugleich Priv-Doz,

    Assis oder Akad. Rat an der Uni B.

  • R
    raumstunde

    Ob nun Honorar-Professoren, Privatdozenten oder Professoren; don't let that be.

  • R
    rhenanus

    was sind "möglicherweise ungeeignete Kandidaten". Nur diejenigen, die bei der Promotion durchfallen, sind möglicherweise ungeeignet. Der Doktorvater entscheidet nicht über die Promotion, sondern eine Prüfungskommission nach dem Rigorosum. Wenn Geld geflossen ist, halte ich das für untragbar, allerdings sollte auch die vermittelnde Firma zur Rechenschaft gezogen werden und nicht nur die schwarzen Schafe in den Unis.

  • AH
    Andreas H.

    Ein Skandal! 20.000 Euro bezahlen, nur um eine Stelle als Doktorand zu bekommen? Das ist doch die reinste Abzocke.

     

    Sicherlich, bezahlte Doktorandenstellen sind relativ rar und sehr begehrt, aber wenn man 20000 Euro hat, um sich eine Doktorandenstelle zu kaufen, könnte man genau so gut völlig legal für ca. 1.5 Jahre ohne Bezahlung als Doktorand arbeiten... in der Hoffnung, doch eine bezahlte Stelle zu bekommen.

  • DO
    Dr. Olaf Ippisch

    Der Genauigkeit zuliebe möchte ich sie darauf hinweisen, dass es sich nicht, wie auch von vielen anderen Medien gemeldet um 100 Professoren gehandelt hat sondern wohl um 100 Honorar-Professoren und Privatdozenten. Letztere führen keinen Professorentitel. Da nicht genau bekannt ist wie groß der Anteil war, handelte es sich mit Sicherheit um deutlich weniger als 100 Professoren (auch wenn das die Bedauerlichkeit des Skandals nicht reduziert).