Projekte gegen Rechts im Test: Die Reaktionen: Keine Jugendarbeit speziell für Neonazis
Berlins Integrationsbeauftragter weist die Vorwürfe gegen Anti-Rechts-Projekte zurück. Auch eine stärkere Ausrichtung auf gewaltaffine Jugendliche lehnt Piening ab. Das Mobile Beratungsteam "Ostkreuz" sieht aber Optimierungsbedarf.
Der Integrationsbeauftragte Günter Piening setzt auf die Zivilgesellschaft statt auf Nazis. Die Anregung, sich bei der Arbeit gegen Rechts verstärkt auf latent Rechtsextreme und bildungsferne Gruppen zu konzentrieren, hält er für "sehr problematisch". "Wir wollen den pluralen Förderansatz nicht reduzieren auf zwei bis drei Aspekte." Das wäre vollkommen falsch, sagte Piening, der den Etat der Landesprogramme gegen Rechts verwaltet.
Er widersprach damit dem Vorwurf, die Berliner Projekte richteten sich an die falsche Zielgruppe, in den falschen Bezirken und seien außerdem zu allgemein. Diesen These hatten Wissenschaftler des Zentrums für Antisemitismusforschung an der TU erhoben, die im Auftrag der Landeskommission gegen Gewalt mehr als 160 Projekte gegen Rechts untersucht hatten (siehe Text oben).
Rund 3 Millionen Euro fließen jährlich in hiesige Projekte gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus, die Hälfte davon aus Bundesmitteln. Die Frage, wen diese Projekte eigentlich ereichen, sei legitim, meint dagegen Carl Chung vom Mobilen Beratungsteam "Ostkreuz". Dessen Mitarbeiter sind in Marzahn-Hellersdorf, Friedrichshain-Kreuzberg und Pankow unterwegs und beraten Menschen, die mit Jugendlichen arbeiten - Sozialarbeiter und Lehrer, aber auch Polizisten und Verwaltungsangestellte. "Natürlich ist es leichter, einen Projekttag an Gymnasien zu organisieren: Man findet einfach mehr Ansprechpartner", sagt Chung. Pauschale Schelte halte er zwar nicht für gerechtfertigt, doch bei einigen Projekten herrsche durchaus Optimierungsbedarf. "Wir müssen Sozialarbeiter und Lehrer, die mit bildungsärmeren Jugendlichen arbeiten, besser qualifizieren und sensibilisieren", so Chung.
Ingo Grastorf, der in Berlin das europaweite Netzwerk "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage" koordiniert, sieht sich durch die Studie bestätigt. "Wir arbeiten ganz gezielt mit bildungsärmeren Schülern." Zum Netzwerk gehörten viele Berufs- und Hauptschulen, etwa das Oberstufenzentrum Handel in Kreuzberg. "Man muss die Methoden nur adäquat anpassen, etwa indem man im Unterricht statt adäquat das Wort angemessen benutzt", sagt Grastorf.
Keinen umfassenden Korrekturbedarf sieht auch Björn von Swieykowski von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Lichtenberg. "Hier werden latent Rechtsextreme intensiv betreut." So gäbe es eine eigene Arbeitsgruppe, die Sozialarbeiter in Jugendeinrichtungen mit eher rechtem Publikum berate. Die Mobilen Beratungsteams haben 2004 Rechtsextremismus und Gewalt in den Bezirken kartographisch dargestellt und Gegenstrategien auf ihre Tauglichkeit geprüft. "Auf Defizite wurde in allen Fällen reagiert", berichtet von Swieykowski. Vernachlässigt würden dagegen alternative Jugendprojekte. "Da herrscht in fast allen Ostbezirken eine ziemlich Brache, die werden links liegengelassen."
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