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Profifußball in der UkraineMal Spielfeld, mal Front

An Wochenenden kickt Olexander Kutscherenko für den FC Inhulez Petrowe in der ukrainischen Profiliga. Zwischen den Spielen fährt er in den Donbass.

Olexander Kutscherenko bei seinem Hilfstransport Foto: Konkewitsch

Das Bemerkenswerteste am ukrainischen Fußball dieser Tage ist sicher, dass er während des Krieges weiter existiert – ganz einfach so, als wäre nichts geschehen. Der Ligabetrieb in fast allen Spielklassen läuft, und mitunter werden Spieler ins Ausland transferiert. Auch in Zeiten des Kriegsrechts können sie ins Ausland reisen, obwohl Männer das Land eigentlich nicht verlassen dürfen. Etliche Klubs der Premier League geben wieder viel Geld aus, um Spieler aus dem Ausland zu verpflichten.

Da ist es beinahe ein Wunder, was Olexander Kutscherenko vom FC Inhulez Petrowe zu Wege bringt. Zwischen den Spielen und Trainingseinheiten schafft er es, regelmäßig in Städte in der Nähe der Front zu reisen, um humanitäre Hilfe für Zivilisten und Militärs zu leisten. Die Videos, die Kutscherenko auf Instagram postet, zeigen die Krater von eingeschlagenen Granaten und Minen auf beiden Seiten der Straßen, leere und zerstörte Städte und Hunderte von Menschen, denen sein Hilfseinsatz zugutegekommen ist.

Dabei ist Kutscherenko der wichtigste Spieler des Erstliga­klubs Petrowe im Gebiet Kirowograd. Zuvor lief er für den mittlerweile aufgelösten Wolyn Luzk auf. Aus dieser Zeit stammen viele Freundschaften. Er hat erfahren, was Krieg bedeutet. Gleich in den ersten Kriegstagen hat er Kisten mit Hilfsgütern gepackt, die an die Front im Osten und Süden der Ukraine geschickt wurden. Bald beschloss er, die Hilfsgüter selbst auszuliefern.

Kutscherenko stammt aus Slowjansk im Gebiet Donezk, wo seine Eltern bis heute leben. Auch ihr Haus wurde getroffen – Granatsplitter haben das Dach zertrümmert. Warum sie die Gefahrenzone nicht verlassen? Sie hätten Angst davor, was woanders auf sie zukommt, berichtet Kutschernko. „Das ist unser Land, sagen sie. Wie oft habe ich schon versucht, sie zur Flucht zu bewegen. Aber sie wollen nicht weg.“ 2014 haben sie erlebt, wie ihre Stadt für kurze Zeit von russischen Einheiten besetzt worden ist. „In solchen Momenten wird einem klar, wie sehr man auf die Hilfe von V­erwandten angewiesen ist. Aber nicht jeder hat Angehörige, die in solchen Momenten helfen können“, sagt der Fußballer. „Dafür gibt es Freiwillige.“

So liefert er Nachschub für das Militär und organisiert gezielte Übergaben von Hilfsmitteln an die Zivilbevölkerung in Bachmut, Sewersk und Konstantinowka – Städte an der Front, die von den Russen dem Erdboden gleichgemacht werden.

Ein Geländewagen für die Armee

„Wir füllen Kisten mit Waren und verteilen sie nach und nach an bestimmten Orten. Am Tag vor unser Ankunft informiere ich die Leute, dass wir kommen.“ Kutscherenko berichtet: „Als es noch möglich war, nach Bachmut zu fahren, habe ich oft in den Kellern der zerstörten Häuser nach Menschen gesucht, die sich vor den Explosionen versteckt hatten.“

Zunächst hat er selbst Lebensmittel oder militärische Ausrüstung eingekauft und auf eigene Kosten den Lkw betankt. Dann begannen Bekannte in Luzk, Lebensmittel für seine Transporte zu sammeln. Kutscherenko und ein paar Freunde bringen nun Fleischkonserven, Medikamente zur Wundheilung, Mehl, Energydrinks, Brot und Kekse in den Osten des Landes. „Einmal hat ein fremder Mann angerufen und gefragt, ob wir Kartoffeln brauchen. Eine Stunde später hat er fast eine Tonne gebracht.“ Während Kutscherenko das erzählt, schaut er auf sein Handy, wo Nachrichten eingehen über Dinge, die jetzt benötigt werden.

Als im Sommer 2022 klar war, dass die Meisterschaft in der Ukraine wieder aufgenommen werden soll, hat Kutscherenko einen neuen Vertrag bei Inhulez unterschrieben, wo er schon zuvor einmal gespielt hatte. Aber er hörte nicht auf, Hilfsgüter an die Front zu liefern. Einige Reisen hat er gemeinsam mit Taras Mychalik unternommen, einem früheren Nationalspieler und Ex-Profi von Dynamo Kiew. Gemeinsam haben sie einen Geländewagen für die Truppen gekauft und ihn an die Front gebracht.

Sein Klub unterstützt Kutscherenko und stellt ihn zwischen den Ligaspielen für die Reisen in den Donbass frei. Das läuft dann so ab: Während des Spielbetriebs sammelt Kutscherenko Informationen über den Bedarf an Hilfsgütern und belädt das Auto. Derweil nimmt er am Trainingsbetrieb teil und lebt das normale Leben eines Profifußballers. Nach einem Spiel haben die Spieler in der Regel ein paar freie Tage. Die nutzt Kutscherenko für seine Ausflüge an die Front. Er kommt zurück, schläft sich aus, geht wieder zum Training und zu den Spielen.

„Man gewöhnt sich auch an die Explosionen“

So reibungslos klappt das nicht immer. „Zu Beginn des Wintertrainingslagers musste ich dringend Kleidung für 40 Leute auftreiben und liefern. Das war für Leute, die unter Beschuss geraten waren und fast nackt und barfuß dastanden. Ich bin mit einem Tag Verspätung zum Trainingsauftakt gekommen, aber die Trainer waren verständnisvoll“, erzählt Kutscherenko.

Die Kollegen im Klub fragen immer wieder, was an der Front so los ist. Dann berichtet er, wie schwer es ist nach einer Reise in die dortige Hölle in ein friedliches Leben zurückzukehren. „Manchmal komme ich zurück und spreche zwei Tage lang mit niemandem. Man gewöhnt sich daran. Man gewöhnt sich auch an die Schüsse und Explosionen.“

Es gibt ihm Kraft, wenn er an die Soldaten denkt, denen er hilft. Einmal, in der Nähe von Kreminna, saß Kutscherenko in einem Auto nur einen Kilometer von den Russen entfernt. Dort begegnete er ukrainischen Soldaten, die von der Front zurückkehrten. „Sie hatten seit zwei Tagen nichts gegessen, waren verdreckt und erschöpft. Diese Männer wissen, wofür und für wen sie kämpfen. Wie könnte man ihnen nicht helfen?“

Für ihn ist es ganz einfach, die Armee und die Zivilbevölkerung zu unterstützen. Einfach nicht ausgehen, kein Bier, keinen Kaffee trinken, sondern das eingesparte Geld der Armee spenden. Derzeit sammelt Kutscherenko für ein weiteres Auto, für Tablets und eine Wärmebildkamera, die ein Lazarett der Armee gerade dringend benötigt.

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