Profifußball in Japan: Die J-League boomt
Früher wurden alternde Stars des Weltfußballs eingekauft. Heute werden jede Menge Profis exportiert. Japans 1. Liga wird immer stärker und feiert ihr 20. Jubiläum.
TOKIO taz | In Yokohama war die Feier schon vorbereitet, ein Sieg gegen den Underdog Albirex Niigata hätte gereicht. Aber trotz drückender Überlegenheit verloren die routinierten Yokohama F. Marinos 0:2. „Dann werden wir es eben am letzten Spieltag schaffen“, rief Trainer Yasuhiro Higuchi nach dem Spiel durch das Mikrofon Richtung Tribüne. „Und dann können wir wirklich feiern! Wir werden kämpfen!“
Wenn sich Higuchis Versprechen bewahrheiten, holt seine Truppe am kommenden Wochenende die vierte Meisterschaft der Klubhistorie. Nicht nur die Yokohama F. Marinos haben dann Grund zu feiern. Die ganze Liga freut sich schon auf eine große Party zum Saisonende. Denn 2013 ist sie 20 Jahre alt.
Profifußball in Japan ist noch jung, aber schon eine Erfolgsstory. Als 1975 in Italien der erste Millionentransfer (in britischen Pfund) abgeschlossen wurde, war der Sport in Fernost noch pure Exotik. Die nationale Fußballliga blieb bis Anfang der 1990er eine Angelegenheit für Amateure. Yasuhiko Okudera, ab 1977 der erste Profi in Europa beim 1. FC Köln, blieb lange ein Einzelfall.
Doch das sollte sich ändern. Inspiriert durch die Fußballbegeisterung und die großen Stadien in Europa, startete Japan im Mai 1993 mit zehn Mannschaften seine erste Profiliga. Von Anfang an sollte es pompös zugehen, mit viel Geld, großen Namen und starker Gefolgschaft. In den Augen des Gründers Saburo Kawabuchi hieß das vor allem eines: die J-League so europäisch wie möglich zu gestalten. Die Namen der Mannschaften klangen spanisch, italienisch oder englisch, Trikotmuster erinnerten an Europas Topklubs. Die Urawa Red Diamonds richteten sich etwa nach Manchester United, Gamba Osaka legte sich das Blau-Schwarz von Inter Mailand zu.
Zico, Lineker, Littbarski
Vor allem aber zogen die jungen Vereine, meist Werksmannschaften großer Unternehmen, etwas an Land, was die Japaner selbst nicht hatten – Weltstars. Der Brasilianer Zico kam zum heutigen Rekordmeister Kashima Antlers, Gary Lineker wechselte von Tottenham zu Nagoya Grampus, Michael Laudrup von Real Madrid zu Vissel Kobe. Die deutschen Weltmeister Guido Buchwald und Pierre Littbarski gingen zu den Urawa Red Diamonds und JEF United Chiba. Ihre Aufgabe war klar: Fußball auf einem Niveau spielen, das kaum ein Japaner beherrschte, und damit Interesse an der Liga wecken.
Wie aus dem Nichts hatte das zu jener Zeit noch boomende Japan den Fußball nach Fernost geholt. Aus Deutschland kamen noch Uwe Bein, Frank Ordenewitz und Michael Rummenigge. Als Trainer arbeiteten unter anderem Gert Engels und später Volker Finke und Holger Osieck in Japan. Doch bald geriet das Importkonzept an seine Grenzen. Es sagten vor allem alte Spieler zu, um ein letztes Mal großes Geld zu kassieren. Wer noch Ambitionen hatte, fürchtete Japan als Abstellgleis. Roberto Baggio, Weltfußballer 1993, sagte 2000 ein Angebot ab, weil er sich noch Hoffnungen auf eine WM-Teilnahme zwei Jahre später machte.
Gegen Ende der 1990er Jahre geriet die J-League schließlich in eine Krise. Die Klubs hatten über ihre Verhältnisse gelebt, und da es auch Japans Wirtschaft nicht gut ging, wurden die Sponsoren zurückhaltend. Die nächste Tranche bekannter Spieler wie Carlos Dunga, Leonardo und Hristo Stoichkov verließ die Liga, das Niveau ging schnell zurück. Der Zuschauerschnitt in den Stadien sank von gut 19.000 pro Spiel 1994 auf unter 10.000 drei Jahre später. Das gerade erst entstehende Nachwuchskonzept, das sich vor allem an den Systemen aus Frankreich und Deutschland orientierte, trug noch keine Früchte. Später sollte gerade hierin die Quelle neuer Erfolge liegen.
Zu regionalem Engagement verpflichtet
Um den Nachwuchscharakter zu stärken, wurden mit der Jahrtausendwende alle Profiklubs zum Engagement für den Fußball in ihrer Region verpflichtet. Die Zweite Liga wurde als Unterhaus eingeführt, zudem mussten sich die Vereine finanziell unabhängiger von ihren sponsernden Betrieben machen. Im Schulsystem gewann Fußball an Gewicht, sämtliche Nachwuchstrainer erhielten eine festgelegte Ausbildung.
Und zu Japans Glück folgte auf dessen erste WM-Teilnahme 1998, wo eine noch ausschließlich aus heimischen Klubs gespeiste Truppe keinen Punkt holte und selbst gegen Jamaika 1:2 verlor, vier Jahre später die Weltmeisterschaft daheim. Heute wird der WM 2002 eine vorher nie da gewesene Euphorie zugeschrieben, und seither boomt Fußball wieder. Die Anzahl spielender Kinder und Jugendlicher steigt seit zehn Jahren, Baseball, das traditionell am beliebtesten ist, könnte irgendwann eingeholt werden.
Denn die J-League hat sich vom Importeur von Altstars zum Exporteur großer Talente gewandelt. Bei jedem zweiten Bundesligaklub spielt derzeit ein Japaner. Weitere Leistungsträger der Nationalmannschaft wie Shinji Kagawa, Yuto Nagatamo und Keisuke Honda stehen in England, Italien und Russland unter Vertrag. Dass die J-League deswegen ausblutet, ist wohl noch nicht zu befürchten. Die U23-Auswahl von Olympia 2012 scheiterte nur knapp an der Bronzemedaille, bei den Weltuniversitätsspielen 2011 und den Asian Games 2010 gewann Japan Gold.
Die meisten dieser Spieler sind bis jetzt in der J-League unter Vertrag. Der Spielerberater und Japankenner Thomas Kroth, der Manuel Neuer betreut und Shinji Kagawa einst aus Osaka nach Dortmund holte, sieht Topmannschaften der J-League daher auf dem Niveau eines besseren Bundesligaklubs. Als die Favoriten aus Yokohama am Samstag von zwei Kontertoren überwältigt wurden, fiel das große Potenzial vieler Spieler wieder auf. Die beiden Tore erzielten der 19-jährige Musashi Suzuki und der 24-jährige Kengo Kawamata. Für Kawamata war es schon das 22. Saisontor, europäische Späher werden sich das notiert haben. Neben Japans mittlerweile mit Legionären bestückter Nationalauswahl scheint auch die Liga so stark wie nie.
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