Produktverbot in Dänemark: Keine Hormondosis für den Babypo
Bisher stecken in Kosmetika Stoffe, die wie Hormone wirken: die Parabene. Dänemark verbietet sie jetzt in Produkten für Kinder unter drei Jahren. Die EU aber wartet erstmal ab.
STOCKHOLM taz | Dänemark macht erneut einen Alleingang bei Kinder-Produkten, die nachweislich das Hormonsystem beeinflussen. Diesmal geht es um Parabene, diese Stoffe stecken als Konservierungsmittel in vielen Hautprodukten und Kosmetika. Spätestens ab Mitte des kommenden Jahr dürfen sie in Dänemark nicht mehr in Cremes und Shampoos verwendet werden, die für Kinder unter 3 Jahren in Frage kommen.
Mädchen früh in Pubertät
Kopenhagen habe die Geduld mit der Industrie verloren, begründet Umweltministerin Karen Ellemann den Regierungsbeschluss. "Wir sehen Mädchen, die immer früher in die Pubertät kommen, bei den Jungen wird die Samenqualität schlechter", sagte die Ministerin. Die Europäische Union scheint noch abwarten zu wollen, auch wenn sich deren Gremien seit 2005 mit Parabenen befassen.
Im Mai hatte der Wissenschaftliche Ausschuss für Verbrauchersicherheit keine Veranlassung gesehen, die erlaubten Konzentrationen für Methyl- und Ethyl-Parabene zu ändern. Für die übrigen Parabene brauche man noch "zusätzliche Informationen".
Dänemark verlässt sich lieber auf zwei eigene Studien von November 2009 und Februar 2010. Darin konstatieren die Experten ein "kritisches Risiko" bei Zweijährigen, vor allem, wenn man den kumulativen Effekt verschiedener hormonaler Quellen berücksichtige. Dabei ging es speziell um Propyl- und Butylparabene, die Bestandteil vieler Haut-, Sonnencremes, Seifen und Babylotionen sind und die sich bei Tierversuchen als besonders stark hormonell wirksam erwiesen haben.
Camilla Hersom von der dänischen Verbraucherorganisation Forbrugerrådet hält das Verbot für einen wichtigen ersten Schritt. Allein auf einer von der EU zusammengestellten Liste über hormonverändernde Stoffe gebe es 17, die in Kosmetika verwendet würden: "Eigentlich haben die darin nichts verloren."
Industrie: Kaum Problem
Die Industrie sieht das natürlich anders. Parabene sind seit den vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts als Konservierungsstoffe in Shampoo und Cremes gebräuchlich. Sie verhindern das Wachstum von Pilzen und Bakterien und verlängern die Haltbarkeit. Die Branchenorganisation der dänischen Kosmetikindustrie erklärt, es seien mittlerweile aber nur noch wenige parabenhaltige Kinderprodukte auf dem Markt.
Die dänische Umweltministerin Karen Ellemann widerspricht allerdings: Allein sechs von 28 untersuchten Sonnencremes auf dem Markt enthielten eines der besonders wirksamen Parabene. Darum hoffe sie nun auch, dass der Alleingang der dänischen Regierung schnell Nachahmer in den anderen EU-Ländern findet. REINHARD WOLFF
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