Probleme beim Corolla: Neue Hiobsbotschaft für Toyota
Die US-Behörde für Verkehrssicherheit prüft eine Rückrufaktion des Corolla. Der Weltmarktführer kämpft um das Vertrauen der Kunden.
TOKIO taz | Nach den Rückrufaktionen wegen klemmender Gaspedale und nicht sofort greifender Bremsen gibt es eine neue Hiobsbotschaft für Toyota: Die US-Behörde für Verkehrssicherheit hat wegen etwa hundert Beschwerden über Lenkwiderstände beim Modell Corolla Ermittlungen eingeleitet, die in einen weiteren Rückruf münden könnten. Der Druck auf Toyota hält an: Nächste Woche müssen zwei Manager dem Kongress Rede und Antwort stehen. Eine Klagewelle von Aktionären und Kunden ist angerollt. Und die Konkurrenz ködert Altkunden von Toyota mit Rabatten. Selbst in Japan wird die späte Reaktion auf Sicherheitsprobleme angeprangert, bisher war das Toyota-Management dort sakrosankt.
Die erste Reaktion der Firmenleitung auf dieses Pannen- und PR-Desaster war Sprachlosigkeit. "Japanische Firmen können nicht schnell reagieren und spontan entscheiden, weil sie von einem Kollektiv geführt werden", beschreibt ein früherer japanischer Topmanager die Ursache für die Schockstarre. Aber inzwischen hat Firmenchef Akio Toyoda seine Lektion gelernt: Langsam wird er zum öffentlichen Gesicht seines Konzerns. Sein Vorgänger Katsuaki Watanabe hatte vor vier Jahren noch erklärt, die damaligen Qualitätsprobleme seien nur die Spitze eines Eisbergs. Damit wollte Watanabe das Krisenbewusstsein in der Belegschaft schärfen.
Doch nach dem Eintritt des Krisenfalls reagiert Konzernchef Toyoda wie ein typisch westlicher Manager: "Wir haben niemals etwas verborgen und alle Informationen geliefert", betont er. Drei Pressekonferenzen in zwei Wochen sollten die Scharten der Öffentlichkeitsarbeit auswetzen. "Meine Auftritte kamen nicht so schnell wie erwartet", entschuldigte sich der 53-Jährige für sein langes Abtauchen. Er habe nicht ausweichen wollen. Einen persönlichen Auftritt im Kongress lehnte der Firmenchef zwar ab - vermutlich, weil sein Englisch einen schlechten Eindruck machen würde -, aber die Offensive für mehr Kundennähe und Transparenz führt Toyoda persönlich an. Ein neues Qualitätskomitee in der Firmenzentrale nahe Nagoya leitet er selbst. Jede Weltregion ist darin durch einen eigenen Verantwortlichen für Qualität vertreten.
Auf Beschwerden will Toyota in den USA demnächst mit Hilfe eines vergrößerten Netzes von Servicezentren innerhalb von 24 Stunden reagieren. Die Datenrekorder der Autos sollen stärker als bisher zur Problemanalyse benutzt werden. Künftige Modelle erhalten ein Extrabremssystem, das die Kraftstoffzufuhr stoppt, wenn Gaspedal und Bremse gleichzeitig betätigt werden. Das soll ungewollte Beschleunigungen verhindern. Die Kosten stünden dabei nicht im Vordergrund, betont Toyoda: "Wir wollen zuerst das Kundenvertrauen wiederherstellen."
In den USA zeigen seine Anstrengungen bereits Wirkung. Dort hatten Medien und Politik auf den Millionenrückruf des bisherigen Musterschülers für Qualität und Zuverlässigkeit zunächst mit hämischen Angriffen reagiert. Gleich zwei Kongresskomitees beschlossen eine Anhörung zu Toyota, die Verkehrsbehörde kündigte neue Untersuchungen an. Japanische Medien und Politiker befürchteten einen Handelskrieg: Die US-Regierung würde die Japaner so hart anfassen, weil sie Mehrheitsaktionär von Toyotas größtem Wettbewerber General Motors sei.
Doch der Wind hat sich bereits gedreht. Anders als vor 25 Jahren produziert Toyota nämlich einen Großteil seiner Autos in den USA - und wird dort oft als US-Firma wahrgenommen. In Kentucky, Indiana, Alabama, Texas und West Virginia bauen knapp 18.000 Amerikaner für Toyota Autos und Motoren zusammen. Trotz der Rezession wurde kein einziger davon entlassen. In einem Brief an die zuständigen Ausschussvorsitzenden im Kongress beschrieben drei Gouverneure letzte Woche Toyota als Opfer einer aggressiven Presse. Die Firma habe so nachdrücklich wie keine andere auf die offizielle Untersuchung reagiert. Rick Perry, Gouverneur von Texas, wurde mit dem Satz zitiert: "Lasst uns nicht auf Toyota einprügeln, es ist eine gute Firma."
MARTIN FRITZ
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Auf dem Rücken der Beschäftigten
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!