Probleme an Bremer Schulen: Bremens Schul-Baustellen

Während Bremens Ergebnisse beim Bildungsvergleich des IQB schon wieder verheerend sind, stehen die Schulen vor einem weiteren Schritt hin zur Inklusion.

Im fach Deutsch sind Bremens Neuntklässler abgehängt. Foto: Silas Stein/ dpa

BREMEN taz | Im Sommer 2018, so haben die Bremer BildungspolitikerInnen vor Jahren überlegt, soll ein weiterer Schritt hin zur vollständigen Inklusion stattfinden: Die Fritz-Gansberg-Schule, die SchülerInnen mit „sozial-emotionalen Beeinträchtigungen“ aufnimmt, soll geschlossen werden. Was passiert dann mit den SchülerInnen, mit denen die Regelschulen trotz aller Bemühungen derzeit nicht zurechtkommen? Das war das Thema einer Anhörung der Grünen am vergangenen Freitag.

„Eine große Herausforderung“ sei das, erklärte dort die Berliner Inklusions-Expertin Ulrike Becker. Sie wirbt für das Modell der „Übergangsklassen“, was bedeutet, dass solche SchülerInnen für ein oder zwei Jahre in einer Sonderklasse von vier SchülerInnen betreut werden. In wöchentlichen Förderkonferenzen sollen Lehrer, Soziapädagogen, Psychologen und Eltern ihre Arbeit im Sinne eines „Rettungsschirms“ koordinieren. Bloß: Das erfordert erhebliches sonderpädagogisches Personal.

Das ist nicht die einzige Sorge, die Bremens Schulen derzeit umtreibt: Vor zehn Tagen wurden die neuen Ergebnisse des bundesdeutschen Bildungsvergleichs des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) vorgestellt – und wieder war Bremen fast in allen getesteten Kategorien für das Fach Deutsch Schlusslicht. Bei der Kategorie „Lesen deutscher Texte“ war der Absturz besonders eklatant: Mehr als 36 Prozent der Neuntklässler schafften die Mindestanforderungen im Test nicht.

Da es in Hamburg deutliche Verbesserungen gab, halfen die üblichen Reden, der höhere Anteil von SchülerInnen mit Migrationshintergrund verzerre die Statistik der Stadtstaaten, diesmal nicht. Hamburg nehme, wenn man nur die SchülerInnen ohne Migrationshintergrund betrachte, sogar bundesweit Spitzenplätze ein, freute sich der dortige Schulsenator Ties Rabe. Aber auch die Schulerfolge bei den Kindern nichtdeutscher Herkunft sind besser als in Bremen. Dabei wollte Bremens Bildungssenatorin bereits 2013, nach den letzten IQB-Ergebnissen, doch mit den Lehrern „an einem Strang ziehen.“

Und 2015, als die neuen Tests begannen, hatte Bremens GEW-Sprecherin Petra Lichtenberg, eine gute Idee: „Das Geld für weitere kostspielige Tests sollte lieber in die Ausstattung der Schulen fließen.“

Nach jeder IQB-Expertise komme großer Aktivismus auf, sagte Sönke Wittenberg von der Schulleitung der Oberschule am Barkhof, und dann passiere doch wenig. Seit der großen Flüchtlingswelle des vergangenen Jahres – diese Jugendlichen waren bei den Tests noch nicht in den neunten Klassen – sei im Grunde „jede Klasse Inklusionsklasse“. Wobei auch für die Hochbegabten Angebote gemacht werden müssten, die ihrem individuellen Niveau entsprächen; das gehöre nach seinem Verständnis auch zur Inklusion.

Achim Kaschub von der Roland-Oberschule in Huchting, wo das Modell der „Übergangsklassen“ praktiziert wird, wies bei der Anhörung darauf hin, dass bei der besonderen Konzentration auf die Probleme der Inklusion der Eindruck entstehe, dass „die anderen Schüler manchmal untergehen“. Dann aber bekäme die Schule ein „Akzeptanzproblem bei der Elternschaft“.

Und nun sollen die SchülerInnen mit „Beeinträchtigungen in der seelischen Entwicklung“ hinzukommen. Das sind Jugendliche, die den Unterricht in einer Weise stören, die die Regelschulen überfordern – nicht nur, wenn sie gewalttätig werden. Die Zahl der Fälle, in denen solche SchülerInnen psychiatrische Hilfe brauchen und die dann in „Krankenhausklassen“ beschult werden, steigt. Die Polizei kennt einige davon als „Intensivtäter“.

Die Schule an der Fritz-Gansberg-Straße ist ein Förderzentrum für den Bereich sozial-emotionale Entwicklung, also für solche Jugendliche. „Unsere 45 Schüler kommen alle aus der inklusiven Beschulung“, erklärte Schulleiter Thomas Schipfer bei der Anhörung. „Die Schülerakten sind Dokumente des Scheiterns an den Inklusionsschulen“, erklärte er. Seine Schule entlaste das „inklusive“ System. Ob sie geschlossen werden kann, muss der Senat im kommenden Jahr entscheiden – und das Geld für die „Übergangsklassen“ bereitstellen.

Von der Inklusion ausgenommen blieben dann nur noch die Kinder, bei denen die Eltern entscheiden, dass sie besser an der Schule für Hörgeschädigte, der Schule für Sehgeschädigte oder der Schule für körperliche und motorische Entwicklung aufgehoben sind.

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