Pro und Contra: Der Streit um den Streik

Der Kita-Streik geht in die dritte Woche. Sind die Forderungen berechtigt? Darüber streiten Kita-Chefin Katja Nienaber und Gewerkschafterin Hilke Stein.

Dann bleibt die Kita eben zu: Streikende Erzieherinnen demonstrieren für mehr Gehalt. Bild: dpa

45, ist Diplom-Kauffrau und kaufmännische Geschäftsführerin der Elbkinder Vereinigung Hamburger Kindertagesstätten, die in 180 Kitas rund 22.000 Kinder betreut.

"Eine zu scharfe Maßnahme"

Leidtragende des Kita-Streiks sind die Eltern und somit auch die Kinder. Viele Eltern bekommen Schwierigkeiten mit ihren Arbeitgebern. Es wird also der Wunsch nach mehr Gehalt auf dem Rücken der Eltern ausgetragen. Wir als Träger mit rund 200 Kitas und Einrichtungen der Nachmittagsbetreuung an Schulen in Hamburg halten ob der unrealistischen Forderungen der Gewerkschaften diese Belastung für die Eltern nicht für gerechtfertigt.

Generell ist der Wunsch nach einem höheren Lohn ein verständlicher Wunsch eines jeden Mitarbeiters. Aber über zehn Prozent mehr Gehalt zu fordern, wie die Gewerkschaften es derzeit tun, ist wirklichkeitsfremd, und das wissen die Gewerkschaften genau. Sie haben Forderungen gestellt, die das Lohngefüge im öffentlichen Dienst verändern und den Erziehungsdienst gegenüber Berufsgruppen mit vergleichbaren Ausbildungsniveaus begünstigen würden.

Die Verhandlungen wurden von Beginn an von Warnstreiks begleitet. Bereits nach fünf Tagen erklärte Ver.di die Verhandlungen für gescheitert und rief zu einem unbefristeten Erzwingungsstreik auf. Wir können einen Willen der Gewerkschaften, über Vorschläge der Arbeitgeber nachzudenken, nicht erkennen. Daher sind die drei Warnstreiks und der jetzige unbefristete Erzwingungsstreik aus unserer Sicht eine zu scharfe Maßnahme. Ver.di-Chef Frank Bsirske hat bereits im vergangenen Jahr eine große Streikwelle angekündigt - ein strategisch geplanter Mangel an Verhandlungswillen zu Lasten der Eltern?

Um die Öffentlichkeit für ihre Forderungen einzunehmen, sprechen die Gewerkschaften von einer unfairen Bezahlung. Bei den Elbkindern, bei denen rund zwei Drittel der streikenden ErzieherInnen in Hamburg arbeiten, verdient eine ErzieherIn als BerufsanfängerIn in Vollzeit derzeit 2.478 Euro brutto monatlich. Mit zunehmender Berufserfahrung steigt das Gehalt automatisch auf bis zu 3.319 Euro brutto monatlich an.

Hinzu kommen eine Jahressonderzahlung, eine leistungsorientierte Bezahlung, eine betriebliche Altersversorgung sowie 30 Tage Urlaub. Hamburg liegt mit seinem "regionalen öffentlichen Dienst Tarif" über dem Bundesdurchschnitt. Trotzdem werden zum großen Teil Hamburger Kita-Träger bestreikt. Und für Hamburg wird derzeit gar nicht verhandelt.

Dabei unterliegt die Stadt Hamburg wie auch andere Kommunen finanziellen Restriktionen wie der Schuldenbremse. Angesichts dieser Wirklichkeit sollten die Gewerkschaften ihre Forderungen mäßigen. Wir finden, dass Kompromisse nur auf dem Verhandlungswege erreicht werden können. Deshalb wünschen wir uns als Kita-Träger, dass die Gewerkschaften an den Verhandlungstisch zurückkehren. KATJA NIENABER

"Warme Worte reichen nicht"

51, ist Gewerkschaftssekretärin, Leiterin des Bereichs Gesundheit und Soziales der Gewerkschaft Ver.di in Hamburg. Die Mutter zweier Kinder leitet dort die Tarifverhandlungen.

Wir sind "Richtig gut. - Richtig was wert". Unter diesem Motto streiken seit Tagen Tausende Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst. Dies könnten auch die Arbeitgeber unterschreiben. Doch oft bleibt es bei warmen Worten, wenn aus Lippenbekenntnissen Taten werden sollen.

So formulierte der kommunale Arbeitgeberverband (VKA) in einem Mustertext für die Kommunen: "Die Beschäftigten des Sozial- und Erziehungsdienstes leisten in allen Bereichen wichtige und unverzichtbare Arbeit für unsere Gesellschaft." Auch die Regierung gab ein klares Bekenntnis ab. Die Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen sei "nicht zu akzeptieren", schrieben CDU und SPD in ihren Koalitionsvertrag. Berufsfelder, Kompetenzen und Erfahrungen sollten gemeinsam mit den Tarifpartnern neu bewertet werden. Ziel sei, "die Arbeit in der Pflege, Betreuung und frühkindlicher Bildung weiter aufzuwerten".

Verbale Anerkennung tut gut - aber sie reicht den Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst, in Kindertagesstätten und Einrichtungen der Eingliederungshilfe, in Flüchtlingsunterkünften und Behinderteneinrichtungen nicht mehr aus. Was ein Beruf wert ist, bemisst sich nicht nur an schönen Worten, sondern auch an der Bezahlung.

Die Anforderungen an soziale Arbeit haben sich stark verändert: frühkindliche Bildung und Inklusion sind nur einige Stichworte. Früher stand die Betreuung im Vordergrund, heute geht es um Fördern und Fordern, um das Erkennen und Entwickeln von Potenzialen. Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst sind heute gut ausgebildete und hochqualifizierte Fachleute - Beziehungsprofis.

Aber diese Qualifikationen müssen auch gut bezahlt werden. Eine Erzieherin hat heute eine fünfjährige Ausbildungszeit hinter sich - unbezahlt. Ein Ausbildungsniveau, das mit dem von Technikern vergleichbar ist, in der Vergütung aber weit dahinter zurückbleibt.

Unbezahlbar? Die Ver.di-Forderungen sollen das Einkommen der Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst um durchschnittlich zehn Prozent erhöhen. Diese Gruppe stellt wiederum zehn Prozent aller Beschäftigten der Kommunen. Deren Gesamtpersonalkosten würden sich also grob gerechnet nur um ein Prozent erhöhen. Hamburg konnte im letzten Jahr 400 Millionen zusätzlich zur Schuldentilgung verwenden. Spielräume zur Finanzierung der Tarifforderung sind also vorhanden.

Aber auch Bund und Länder sind hier in der Verantwortung. Wir sollten den Anspruch von Eltern und Beschäftigten an die Qualität der Betreuung und die Qualität der Arbeitsbedingungen nicht gegen den Anspruch auf eine angemessene Bezahlung ausspielen. Dies sind notwendige Investitionen in die Zukunft! HILKE STEIN

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