Pro und Contra: 41 Prozent - war's das für die CSU?
Ja, sagt Ralph Bollmann, denn Klientelpolitik und Separatismus funktionieren nicht mehr. Nein, sagt Ambros Waibel, denn eine erneuerte CSU kann die neuen Werte der Bürger vertreten.
P RO
Um eine wirkliche Volkspartei zu sein, war die CSU vielleicht immer zu erfolgreich. Eine Vielzahl von Einzelinteressen wirklich zu integrieren hatte sie nie nötig - als Monopolpartei mit Machtabo in Bayern, als Kleinpartei im Bund. Schon immer vertrat sie eine Vielzahl von Klientelinteressen, die unverbunden nebeneinanderstanden. Innerhalb Bayerns befriedete sie Bergbauern ebenso wie die Hightech-Branche, baute Flughäfen und finanzierte in München Deutschlands teuerstes Opernhaus. Nach außen vertrat sie konsequent bayerische Interessen gegen den Rest der Republik, als einflussreichste Regionalpartei noch vor der guten alten PDS.
Edmund Stoiber brach mit diesem Prinzip. Er beendete die Klientelbefriedigung und realisierte mit seiner rabiaten Reform- und Sparpolitik, was er für das Allgemeinwohl hielt: einen ausgeglichenen Haushalt, mit dem er sich für Berliner Ämter qualifizieren wollte. Er hätte sich wohl nicht mal in der Hauptstadt für bayerische Sonderinteressen eingesetzt. Zu spät ging ihm auf, dass dies mit den Erfolgsprinzipien der CSU unvereinbar war.
Dennoch blieb Stoibers Ausgangsanalyse richtig, dass die Klientelpolitik an objektive Grenzen stieß. Weil die Finanzspielräume schrumpfen, selbst in Bayern; und wegen des Wandels einer Gesellschaft, die Geschenke an symbolische Zielgruppen wie Milchbauern oder Gastwirte nicht mehr als Ausdruck einer gottgewollten Ordnung ansah, sondern als skandalöse Bevorzugung von Sonderinteressen.
Stoibers Nachfolger Horst Seehofer versuchte vergeblich, die Zeit zurückzudrehen. Den Steuernachlass für Hotelbetten handelte er zu einem Zeitpunkt aus, zu dem das Prinzip Wachstumsbeschleunigungsgesetz längst überholt war. Auch der Separatismus funktioniert nicht mehr nach altem Schema. Seit die CSU bei Wahlen und Umfragen unter 50 Prozent gefallen ist, symbolisieren auch andere Parteien bayerische Identität. Die betont bodenständigen Grünen etwa, die Freien Wähler sowieso. Damit funktioniert das Klientelprinzip auch in Berlin nicht mehr - ein Befund, der beim besten Willen nicht mehr zu ändern ist.
RALPH BOLLMANN ist Leiter der Parlamentsredaktion der taz.
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CONTRA
Nein, so schnell schießen die Preußen nicht. Gründe für den Niedergang der CSU wurden in den letzten Jahrzehnten ja schon viele genannt: Angefangen beim verfrühten Tod des Sonnenkönigs F. J. Strauß über den Zusammenbruch des Kommunismus - der Gegner sei verloren gegangen - bis hin zur Fragmentierung der Gesellschaft in immer kleinere und egoistischere Grüppchen, die eine Volkspartei einfach nicht mehr binden könne. Beliebt ist auch das Argument, die CSU sei, indem sie das "moderne Bayern" geschaffen habe, überflüssig geworden, die bayerischen Bürger brauchten sie nicht mehr.
Entscheidend für die Zukunft der CSU ist das Hauptwort: Bürger. Die CSU der Zukunft wird deutlich mehr den ideologischen wie materiellen Bedürfnissen der qualifizierten Zuzügler gerecht werden müssen. Denn die dringen trotz Krise weiter in die Boomregionen des Freistaates vor. Zudem muss die Partei glaubhaft den verlässlichen Manager geben, der nicht wieder mal eben 3,7 Milliarden mit Bankabenteuern in den Sand setzt.
Das alles kann Horst Seehofer schon als Person nicht leisten. Der Elite ist er zu proletarisch, der kleinbürgerlichen Stammklientel gilt er schlicht als der "Fremdgänger" - ein recht sympathischer Mensch also. Als Ministerpräsident ist er eine Fehlbesetzung; und das weiß er längst selbst: Sein gequältes Lächeln, wenn er wieder einen Trachtenumzug abnehmen muss, spricht Bände.
Seehofer ist eine Figur des Übergangs, und als solche bespielt er bewusst die unterschiedlichsten Politikfelder. Mal unterstützt er Bischöfin Käßmann, mal fordert er die Reform des Länderfinanzausgleichs, mal will er weniger, dann wieder mehr Steuern. Er weiß, dass er nichts Genaues weiß über die Gesellschaft, die sich da zwischen Alpen und Main neu formiert. Und er könnte wissen, dass es immer noch eine mehrheitlich bürgerliche Gesellschaft ist, die ihre Werte durchgesetzt sehen will. Welche das momentan überhaupt sind, das muss sie nur noch selber klären. Eine erneuerte CSU kann sie dann repräsentieren - auch mit 50 % + x.
AMBORS WAIBEL ist Meinungsredakteur der taz.
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