Pro & Contra Gospel im Gottesdienst: Der Papst stellt den Pop ab

Der Vatikan hat sich vom Sakropop distanziert. Will keinen Gospel im Gottesdienst, bloß Bach und Gregorianik. Wie wir das finden? Ein Pro & Contra

Ob Himmel oder Hölle: Der Papst will kein Geschrammel hören. Bild: reuters

"UM GOTTES WILLEN!"

sagt Jan Feddersen

Das Begehr vatikanischer Kräfte, Gottesdienst vom Sakropop zu erlösen, mag Freunde des Strengen, des Reinen und des Nieüberkommenen mit erlösender Freude erfüllen. Aus gregorianischen Gesängen, dargereicht von klösterlich abgeschiedenen Chören, zum hohen Ton des Glaubens finden, das ist deren Idee. Ein Ende des Geschrammels und Gestammels wäre es, hoffen sie. Und sie mögen außerdem zu bedenken geben, dass Popmusik als solche immer von abendländisch grundierten Harmonien lebt, von Melodie, Refrain und Rhythmus. Siehe Bob Dylan ("Knockin On Heavens Door"), Diana Ross ("Aint No Mountain High Enough"), Hans Söllner ("Loben und preisen") oder Katja Ebstein ("Wunder gibt es immer wieder").

Aus der Kirche selbst sollen nur jene verschwinden, die es nicht können. Aber wer so denkt, missachtet die Perlen der Volksfrömmigkeit musikalischer Prägung - Whoopi Goldberg hat in dem Film "Sister Act" das Ihre dazu beigetragen, dieser gospeligen Form des anbetenden Gesangs ein cineastisches Denk-, ja Mahnmal gesetzt zu haben. Wer nur noch mittelalterliche Tonspuren möchte, sperrt den Glauben der Gläubigen aus, züchtet sie und heischt sie schweigen: Kann Gott das gewollt haben?

Nein, niemals, dafür hat er nicht Tonleitern und ihre Benutzung, schöne oder hässliche, erfunden. Wären nur Gregorianik noch erlaubt, hieße das, die amateurhafte Sentimentalität gegen professionelle Gefühligkeit einzutauschen. Gerade im Sakropop steckt mehr Inbrunst und Anbetung, mehr transzendierende Kraft und entrückendes Vermögen, im gemeinsamen Gottesdienst das Werk der Welt zu lobpreisen - perfekt im Sinne klarster Gelungenheit kann nur Gott selbst sein. Und der möchte sich nicht ins Handwerk pfuschen lassen! Schluss mit der Renaissance europäischer Klangkunst, weiter so mit allem, was Pop unter dem Kreuz zu stiften vermag: Liebe und Schwung!

Wie hieß es in "Sister Act"? "I Will Follow Him": Komponiert im späten 20. Jahrhundert. Unschätzbar gut - und besser als alle Gregorianik!

"GOTT SEI DANK!"

sagt Arno Frank

Im Anfang war das Riff. Ein stumpfes Bluesschema auf einer leicht verzerrten E-Gitarre eben, wies 1969 üblich war. Tat gar nicht weiter weh. Dann aber setzte diese leicht angegospelte Melodie ein und Norman Greenbaum sang im zudringlichen Ton spiritueller Überzeugung: "Prepare yourself you know its a must / Gotta have a friend in Jesus / So you know that when you die / Hes gonna recommend you / To the spirit in the sky."

Diese Inkunabel des Sakropop war ein weltweiter Hit und ist, nach "We Built This City (On Rock n Roll)" von Starship, der vielleicht fürchterlichste Song in der an fürchterlichen Songs nicht eben armen Rockgeschichte. Zugleich ist "Spirit In The Sky" aber auch der Beginn einer langen Reihe schwerer musikalischer Versündigungen, deren letzte Xavier Naidoos "Seine Straßen" sein dürfte - Kompositionen, die sich vorgeblich dem Lob des Höchsten verschrieben haben und schon allein deshalb von Kirchentagen oder Mixtapes der Jungen Union nicht mehr wegzudenken sind.

"Sakropop" mag in begrifflicher Hinsicht eine bloße Contradictio in Adjecto sein, in ästhetischer Hinsicht ist er das Böse schlechthin: bestenfalls Einfalt, schlimmstenfalls Lüge im Purpurgewand wahren Glaubens. Gott sei Dank dreht der Vatikan dieser süßlicheen, parareligiösen Ranschmeiße nun wenigstens in der Liturgie den Hahn ab. Gefragt, woher er seine Energie beziehe, hat Angus Young von AC/DC mal geantwortet: "Entweder von dort oben oder dort unten. Wahrscheinlich von dort unten. Dort oben gibts keinen Rock n Roll."

Dort allerdings ist, geht es nach dem Alten Testament, auch kein Platz für Bach oder polyphone Choräle. Weil Gott laut eigener Aussage jedwede Musik unerträglich findet: "Und ich will dem Getön deiner Lieder ein Ende machen, und den Klang deiner Harfen soll man nicht mehr hören" (Hesekiel 26,13). Oder, noch besser, bei Jesaja: "Deine Pracht ist herunter zu den Toten gefahren samt dem Klang deiner Harfen. Gewürm wird dein Bett sein und Würmer deine Decke." So viel zum Thema "Spirit In The Sky".

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.