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Pro & Contra Google StreetviewEingreifen versus Aufklären

Martin Kaul
Gereon Asmuth
Kommentar von Martin Kaul und Gereon Asmuth

Rot-Rot unterstützt Bundesratsinitiative gegen Streetview. Aber muss der Staat die Bürger davor schützen?

P RO VON MARTIN KAUL

Ja, ich gestehe: Ich will auch wissen wie Josef Ackermann wohnt. Mich interessiert wie sich ein Farbbeutel an der Hausfassade von Angela Merkel machen würde. Ich will virtuell durch unbekannte Käffer wandeln. Und mein Voyeurismus treibt mich zu der Frage: Könnte mir Google bitte endlich einen Blick auf die Gardinen von Lena Meyer-Landrut eröffnen? Die jetzt in Berlin diskutierten Nahaufnahmen böten dazu eine sexy Steilvorlage. Und doch mahne ich edel: Der gute Staat muss seine armen Bürger schützen!

Denn auch abgesehen davon, dass Google Streetview uns wohl kaum zu Ackermann und Merkel führen wird, steckt hinter der vorbehaltlosen Veröffentlichung dieser Daten eine Grundsatzfrage: Wie weit geht mein Selbstbestimmungsrecht?

Dass es sich bei Hausaufnahmen um öffentlichen, prinzipiell zugänglichen Raum handelt, ist zwar richtig. Die Leichtigkeit, mit der ich mir diesen Raum virtuell zu eigen machen könnte, macht ihn aber besonders schützenswert. Denn es ist ein Unterschied, ob mein potentieller Arbeitgeber vor dem Bewerbungsgespräch per Mausklick sehen kann, ob ich im Carloft, Plattenbau oder im Anarcho-Hausprojekt residiere. Oder ob er wenigstens mal vorbei fahren müsste.

Google hat ein unternehmerisches Interesse daran, Informationsnetzwerke strukturell auszuweiten. Für dieses Interesse finden sich viele KundInnen, die davon gerne profitieren. Es ist nur gerecht, dass der Schutz der Betroffenen vor das Interesse der NutznießerInnen gestellt wird. Das bedeutet ja nicht, dass die Veröffentlichung von Hausfotos prinzipiell ausgeschlossen ist. Doch der Vorbehalt ist ein auch symbolisch wichtiger Schritt, um die Selbstbestimmungsrechte der Einzelnen gegenüber den Verwertungsinteressen der Anderen zu stärken. Und das mit dem Ackermann müssen wir eh anders regeln.

CONTRA VON GEREON ASMUTH

Privatheit ist ein hohes Gut. Schon allein deshalb scheint es auf den ersten Blick löblich, wenn sich SPD und Linke nun dazu aufraffen, Internetplattformen wie Google Streetview in ihre Schranken zu weisen. Allerdings kommt der Vorstoß rund fünf Jahre zu spät. Und damit ist er schlichtweg weltfremd.

Eine Umsetzung würde wegen des hohen bürokratischen Aufwands das Verbreiten von virtuellen Abbildern der Realität nahezu unmöglich machen. Die aber sind längst Standard. Sie helfen bei der Orientierung. Sie lassen zum Beispiel schnell erkennen, ob eine vom Makler angepriesene Wohnung tatsächlich verkehrsgünstig liegt - oder ungeschützt neben der Autobahn. Ob ein Hof begrünt oder verschattet ist. Und wie das Haus aussieht, dass man grade in der echten Welt sucht. Problematisch wird das ganze erst, wenn die Bilder mit anderen Daten verknüpft werden. Etwa mit der Angabe wer wo wohnt.

Dieses Problem taucht aber nicht erst mit hochauflösenden Angeboten wie Streetview auf. Längst sind im Internet Adressdateien mit den Sattelitenbildern von Google Maps verbunden. Seit Jahren kann man mit zwei, drei Klicks erfahren, ob ein Bundesbürger einen Pool im Garten hat oder ob er im Plattenbau wohnt. Einzige Voraussetzung: Der Bürger hat seine Adresse zur Veröffentlichung in Verzeichnissen wie dem guten alten Telefonbuch freigegeben.

Wenn es aber in der echten Welt Standard wäre, dass jeder seinen Namen auf einem gut lesbaren Transparent aus dem Fenster hängen hätte, dann käme auch kein Politiker auf die Idee, Fotos von Häusern zu verbieten. Man würde vielmehr den Menschen raten, ihre Namenstransparente reinzuholen. Genau das sollte auch das probate Mittel für die virtuelle Welt sein: Raus mit der Adresse aus allen Dateien! Aufklärung stünde Rot-Rot besser zu Gesicht als ein Fotoverbot.

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Martin Kaul
Reporter
Gereon Asmuth
Ressortleiter taz-Regie
Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Bluesky:@gereonas.bsky.social Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de ex-Twitter: @gereonas Foto: Anke Phoebe Peters
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5 Kommentare

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  • R
    Renus

    Wie sieht es denn mit den Privatrechten in anderen Ländern aus? Wie geht man z.B. in den USA, in England, Frankreich oder anderen europäischen Ländern mit dieser Frage um.

    Eine ausführliche Berichterstattung darüber könnte allen helfen.

    Mir hat Streetview geholfen, dass ich meinen Übernachtungsort in New York City nicht in einem Hotel mitten im Gewerbegebiet gewählt habe. Denn Fotos, die das Hotel zur Selbstdarstellung (Werbung) veröffentlicht, ließen keinen einzigen Hinweis auf die schlechte Umgebung erkennen; solche Fotos können lügen, Streetview lügt nicht.

  • O
    OLLi

    Der Staat schützt mich, der Staat sollte Sorgen tragen...

    ...dass meine Privatsphäre geschützt wird?

     

    Mit Verlaub, so ein SCHEI*!!!

     

    Ich sach mal Volkszählung. Ich sach mal, als direkt Betroffener, Mikrozensus. Und ich erwähne noch die hiesige Flurbereinigung, in deren Zuge das Privatgelände (kostenpflichtig) (neu-)vermessen werden soll, und zwar von drei Personen, die stundenlang jede Ecke des Grundstücks unter die Lupe nehmen. Danke, lieber Staat für die Sorge um meine Privatsphäre.

  • C
    cervo

    @ Jens Ferner

     

    Das hier bei Pro und Contra irgendiw seltsam argumentiert wird sehe ich auch so. Ansonsten verstehe ich Ihren Einwand nicht. Sie sind gegen StreetView weil eine Minderheit dagegen ist und diese Minderheit geschützt werden muss? Oder was ist Ihr Argument.

  • JF
    Jens Ferner

    Ist das wirklich die Diskussion, die "da draußen" läuft?

     

    Für mich stellt sich die Frage nicht, denn sie verkennt den Sinn der Selbstbestimmung. Was ich mir wünsche ist, dass ich - als jemand, der nicht erfasst sein möchte - bei der Durchsetzung meines nun einmal bestehenden Rechts geschützt werde.

    Das war früher einmal nicht wirklich möglich, heute aber scheint es zumindest anders.

     

    Ich denke, der Staat sollte dafür Sorgen, dass die Menschen auf Grund von aufgeklärter Selbstbestimmung frei entscheiden, was sie möchten. Und denen einen Schutz bieten, die mit ihrer "contra"-Position in der Minderheit sind. Die bei der TAZ gestellte Frage vermischt beide Aspekte fälschlicherweise zu einem Gesamtaspekt im Sinne des "Alles oder Nichts"-Prinzips.

  • JF
    Jens Ferner

    Ist das wirklich die Diskussion, die "da draußen" läuft?

     

    Für mich stellt sich die Frage nicht, denn sie verkennt den Sinn der Selbstbestimmung. Was ich mir wünsche ist, dass ich - als jemand, der nicht erfasst sein möchte - bei der Durchsetzung meines nun einmal bestehenden Rechts geschützt werde.

    Das war früher einmal nicht wirklich möglich, heute aber scheint es zumindest anders.

     

    Ich denke, der Staat sollte dafür Sorgen, dass die Menschen auf Grund von aufgeklärter Selbstbestimmung frei entscheiden, was sie möchten. Und denen einen Schutz bieten, die mit ihrer "contra"-Position in der Minderheit sind. Die bei der TAZ gestellte Frage vermischt beide Aspekte fälschlicherweise zu einem Gesamtaspekt im Sinne des "Alles oder Nichts"-Prinzips.