Privatisierung endgültig verschoben: Deutsche Bahn findet keine Käufer
Bahnchef Mehdorn wird seinen Traum aufgeben müssen, einen DAX-Konzern zu leiten. Denn sein Vertrag läuft nur bis 2011. Und bis dann wird die Privatisierung nicht mehr klappen.
Vor der Bundestagswahl können auf keinen Fall mehr Teile der Deutschen Bahn verkauft werden. Das meldete am Freitag die Süddeutsche Zeitung. Die Bahn gab sich schmallippig: Man beteilige sich nicht an Spekulationen - Ende der Durchsage.
Offiziell ist es die Wirtschaftskrise, die nun zu einer endgültigen Verschiebung der Privatisierungspläne führen wird. Bei der Aufsichtratssitzung am Mittwoch wird Bahnchef Hartmut Mehdorn nicht nur den Gewinn von 2,5 Milliarden Euro für dieses Jahr nach unten korrigieren. Er legt auch nicht - wie im Dezember sonst üblich - die Mittelfristplanung für die kommenden fünf Jahre auf den Tisch. Stattdessen sollen die 20 Kontrolleure erst im Frühjahr die Daten erhalten. Und die werden absehbar deutlich schlechter ausfallen, als bisher dargestellt.
Ein Teil des Problems sind tatsächlich die einbrechenden Einnahmen im Gütertransport. Bereits 8.000 Güterwaggons sollen irgendwo auf Abstellgleisen geparkt sein, das sind acht Prozent der Kapazität der Bahn-Tochter Railion. Der Umsatz in diesem Dezember werde sogar bis zu 40 Prozent schlechter ausfallen als vor einem Jahr, verkündete Mehdorn vor ein paar Tagen. Gewerkschaften interpretieren das als Propaganda und Kampfansage gegen ihre Lohnforderungen. Doch ohne Zweifel sind die Einbußen der Bahn an dieser Stelle hoch, zumal sie viel Stahl, Chemie und Autoteile transportiert.
Abgesehen von der aktuellen Krise waren die Privatisierungspläne in der gegenwärtigen Form auch sonst kaum durchzuhalten. Bei Umfragen unter potenziellen Investoren und Fondsmanagern in einem sogenannten Pre-Booking-Verfahren Anfang Oktober war deutlich geworden, dass wohl nur 3,4 Milliarden Euro zusammenkommen würden. Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee hatte noch im Frühjahr von 5 bis 8 Milliarden Euro gesprochen, und auch Finanzminister Peer Steinbrück hatte ähnliche Erlöse erwartet. Die Wirtschaftskrise gibt den SPD-Ministern nun die Chance, auszusteigen und trotzdem das Gesicht zu wahren.
Dabei ist für die schlechten Einnahmeaussichten sicher auch die geplante Konstruktion des Unternehmens verantwortlich, ist der FDP-Abgeordnete Horst Friedrich überzeugt. Nicht nur die fortgesetzte politische Einflussnahme und der Gemischtwarenladen "von der US-Fluggesellschaft bis zum Busbetrieb in Baden-Württemberg" hätten auf Geldgeber abschreckend gewirkt. Auch die für den Zeitpunkt des Börsengangs zurechtmodellierte, nach oben zeigende Ergebniskurve habe Geldgeber offenbar wenig überzeugt.
Zu Anfang der Mehdorn-Zeit wurden massive Rückstellungen und rote Zahlen produziert, um später in der Bilanz einen Aufwärtstrend zu erzeugen. Auch Sonderverkäufe hübschten die Bilanz. "Nachdem große Stücke aus der Substanz verkauft wurden und nachdem völlig ungenügend investiert wurde, fehlt der DB AG ein Teil ihrer Basis für künftige Gewinne", sagt Carl Waßmuth von Attac. Deshalb seien Sicherheitsstandards und Verbindungen der Bahn heute äußerst unbefriedigend, kritisiert das Bündnis "Bahn für Alle".
Für Bahnchef Hartmut Mehdorn bedeutet das wohl das Ende seines Traums, ein DAX-Unternehmen zu führen. Sein Vertrag läuft 2011 aus - und bis dahin wird der Verkauf nicht über die Bühne gebracht sein. Denn absehbar ist, dass nach einem Regierungswechsel die Form der Privatisierung neu debattiert wird. Während "Bahn für Alle" und die Linke einen Verkauf auch von Teilen der DB grundsätzlich ablehnen, plädieren Grüne und FDP für ein Modell, bei dem es mehr Konkurrenz auf der Schiene gibt. Die heutigen Regierungsparteien werden sich neu positionieren müssen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!