Privatisierung der US-Außenpolitik: Ein gutes Geschäft
Ob Söldnerdienste oder Diplomatie - Stück für Stück versteigert die US-Regierung ihre Außenpolitik. Das meistbietende Unternehmen bekommt den Zuschlag.
WASHINGTON taz Sie heißen Blackwater, DynCorp oder ArmorGroup, Halliburton, BearingPoint oder CACI. Und sie verdienen sehr viel Geld mit dem, was die US-amerikanische Regierung einst selbst erledigte: Krieg führen, mutmaßliche Terroristen verhören, Diplomaten beschützen, aber auch diplomatische Gespräche führen und beim nationbuilding helfen.
Die Tötung von elf irakischen Zivilisten durch Mitarbeiter der US-Sicherheitsfirma Blackwater am 16. September in Bagdad ist einer der Tiefpunkte der US-amerikanischen Präsenz im Irak. Dieser Vorfall im Irak eine ähliche Empörung ausgelöst wie der Folterskandal im Gefängnis von Abu Ghraib.
Blackwater ist nur eine unter vielen Sicherheitsfirmen, die für die USA arbeiten. Allein das US-Verteidigungsminsiterium hat der Center for Public Integrity zufolge seit dem Jahr 3.601 Verträge mit zwölf Firmen im Wert von rund 300 Milliarden Dollar abgeschlossen, die meisten davon in den letzten Jahren. Zahlen für das Außenministerium und die US-Entwicklungshilfebehörde USAID liegen nicht vor.
Schätzungen zufolge halten sich rund 160.000 Mitarbeiter militärischer Firmen im Irak auf, 50.000 von ihnen sind bewaffnet und sind als Sicherheitsdienste tätig. Die US-Regierung sicherte ihnen 2004 strafrechtliche Immunität zu.
Der Blackwater-Skandal hat eine schon seit Jahren andauernde Entwicklung in Erinnerung gerufen: nämlich, dass nicht nur im Irak, sondern überall dort, wo die USA an militärischen Konflikten beteiligt sind, in Afghanistan, Kolumbien oder Somalia, eine private Großindustrie vormals staatliche Aufgaben übernimmt. Selbst im Außen- und Verteidigungsministerium sitzen inzwischen Privatfirmen, die bestimmte Dienste erledigen. Die USA sind dabei, Stück für Stück, ihre Außenpolitik an die meistbietenden Firmen zu versteigern.
Im Auftrag von immer mehr Staaten übernehmen "Contractors", also Mitarbeiter privater Unternehmen, diplomatische, militärische oder geheimdienstliche Aufgaben oder leisten Entwicklungshilfe. Nur ein kleiner Teil von ihnen trägt Waffen. Doch keine Regierung hat diese Auslagerung so vorangetrieben wie die US-amerikanische.
Anders als Diplomaten und Soldaten, die sich vor Gerichten und Parlamenten verantworten müssen, sind die "Contractors" nur ihren Bossen verpflichtet. Bei der UN und an einigen Universitäten werden die Folgen dieser Entwicklung für künftige internationale Konflikte untersucht.
In den USA haben diese Firmen seit dem Jahr 2001 immens an Bedeutung gewonnen. Obwohl Kritiker der Bush-Regierung es gerne so darstellen, hat dieses Outsourcing keineswegs erst mit George W. Bushs Amtsantritt begonnen, sondern mit dessen Vorgänger Bill Clinton. Befürwortet von einem isolationistisch gesinnten, republikanisch dominierten Kongress, wollte dieser beweisen, dass auch Demokraten mit schmalen Budgets effektiv agieren können.
So erhielt erhielt BearingPoint, der Consulting-Arm der großen Unternehmensberatung KPMG, bereits in den Neunzigerjahren lukrative Aufträge von der US-Entwicklungsbehörde USAID. Diese sah sich trotz einer sinkenden Belegschaft vor wachsende Herausforderungen im ehemaligen Jugoslawien gestellt. Später, zwischen 2003 und 2005, erhielt BearingPoint von der überforderten Behörde Aufträge im Umfang von 288 Millionen US-Dollar für Projekte im Irak.
Dabei übernahm das Unternehmen schnell nicht nur die Ausführung der Projekte. Vielmehr war es bald dafür zuständig, die behördlichen Vergabekriterien für die Ausschreibungen beim wirtschaftlichen Wiederaufbau des Iraks zu formulieren. Kein Wunder, dass BearingPoint die großen Folgeausschreibungen gewann und sich einen weiteren Auftrag über 80 Millionen Dollar sicherte. Und das, obwohl der USAID-Generalkontrolleur der Firma Unregelmäßigkeiten nachwies und sie von den Afghanistan-Ausschreibungen generell ausschloss.
In der Verantwortung der Mitarbeiter von BearingPoint liegt es heute, die verschiedenen US-amerikanischen Ministerien beim Wiederaufbau im Irak zu koordinieren - und die amtlichen Gespräche zu protokollieren. Gegenwärtig läuft eine Ausschreibung der US-Armee, um eine Firma zu finden, die die vierteljährlichen Fortschrittsberichte über den Wiederaufbau im Irak an den Kongress verfasst. Der aussichtsreiche Kandidat dafür ist BearingPoint. Bei einer so geringen Qualitätskontrolle wäre es nicht verwunderlich, wenn Präsident George W. Bush noch immer wirklich glaubte, er gewinne die "Herzen und die Köpfe der Iraker".
"Wenn das Weiße Haus die US-Außenpolitik ausverkaufen will, wird sie jemand kaufen wollen", schrieb die Los Angeles Times Anfang Oktober nach der Blackwater-Anhörung im Kongress. Erik Prince, Blackwater-Chef, ließ dabei keinen Zweifel über die Ziele seiner Firma aufkommen: "Wir wollen für den nationalen Sicherheitsapparat das tun, was FedEx für die Post getan hat." Die US-Post befördert heute nur noch Briefpost, das Geschäft machen FedEx und andere private Paketdienste.
Schon jetzt sei es klar, dass der Einsatz privater Sicherheitsfirmen dem US-Anti-Terror-Kampf "mehr geschadet als genützt" habe, meint Peter W. Singer vom Think Tank Washingtoner Brookings. Er erforscht den Einsatz privater Unternehmen bei US-Militäreinsätzen und ist davon überzeugt, dass Blackwater und Co. die Bemühungen des US-Militärs regelrecht untergraben. Doch zugleich könnten die Vereinigten Staaten ohne die privaten Dienste längst gar keinen Krieg mehr führen, weder logistisch noch personell und politisch, sagt Singer. Die Zahlen scheinen ihn zu bestätigen: Offiziellen Angaben zufolge sind 160.000 private "Contractors" im Irak tätig, genauso viele wie US-Soldaten. 50.000 der "Contractors" sind Söldner.
Allerdings unterscheidet die irakische Bevölkerung nicht zwischen Soldaten und Söldnern. Sie sehen nur aggressive Besatzer, die in einen Verkehrsstau hineinschießen, wenn dieser die Durchfahrt des VIP-Konvois behindert. "Das untergräbt jede noch so besonnene vertrauensbildende Maßnahme der Armee", sagt Singer. Während ein US-Soldat auch mal mit Irakern Karten spielen soll, muss ein Söldner seinen Auftraggeber nur schnell und sicher von A nach B bringen.
Dass die "Contractors" sich juristisch meist in einer Grauzone befinden, ist für die Bush-Regierung ein geringer politischer Preis. Für ihren Einsatz bedarf es keiner Genehmigung des Parlaments, keiner teuren Veteranen- und Witwenversorgung, und kein Journalist will wissen, ob ein Halliburton-Mann genug Urlaub bekommt. Ihre Toten machen keine Schlagzeilen. So ist den Wählern in den USA kaum bekannt, dass nicht nur etwa 3.800 US-amerikanische Soldaten bislang im Irak starben, sondern auch rund 1.000 US-Söldner.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs