: Privater Staatsfunk an der Spree
Rias-TV seit Montag auf Sendung / Das Programm reißt niemanden vom Hocker / Amerikaner investierten 25 Millionen Mark / Grüne erwägen Verfassungsbeschwerde / SAT 1-Zuschauer sauer / Walter Momper (SPD) im Studio / US-Alliierte als Schutzmacht für die CDU ■ Von Benedict M.Mülder
Springers 'Bild‘ schaute am Tag der Premiere dem Volk aufs Maul. Speditionskaufmann Andreas Haverland (23) aus Bukow: „Ich habe mich total geärgert. Die SAT 1-Filme sind viel besser.“ Seit Montag muß Familie Glotzens aus Berlin darauf verzichten. Für 38 Minuten okkupiert seitdem täglich das neue RIAS-TV den von SAT 1 genutzten Kanal, der von maximal 5 Millionen Einwohnern in Berlin und Umgebung empfangen werden kann.
Rias erhält für sein Programm weder Gebühren noch Werbeeinnahmen, er lebt von den Subsidien aus Bonner Kassen: In diesem Jahr flossen rund 50 Millionen Mark, im nächsten sollen es über 71 Millionen sein, allein fürs Fernsehen ( 83,7 Millionen Mark sind für die beiden Rias-Radioprogramme vorgesehen). Rund 25 Millionen Mark haben bisher die Amerikaner für ihr liebstes PR-Kind auf deutschem Boden investiert - unter klaren Vorausetzungen.
Nachdem Anfang Januar 1985 die US-Regierung Bonn wissen ließ, daß sie die „vom Berliner Senat vorgelegte Untersuchung zur Errichtung einer Fernsehstation beraten hat und dem Vorschlag grundsätzlich positiv gegenübersteht“, hieß es zur Erläuterung ein paar Monate später: „Das heißt, daß die Regierung der Vereinigten Staaten die Rundfunkhoheit in Berlin behält, daß die US-Regierung für den Bau und die technische Einrichtung der Station verantwortlich wäre, und daß die Regierung der Bundesrepublik für das Betreiben und die Zahlung der Betriebskosten verantwortlich wäre“. So steht es in einem Gesprächsprotokoll, und so kam es dann auch.
Weil „der Wunsch aus dem Parlament nach öffentlicher Kontrolle verständlich und nicht zu bestreiten“ sei - darauf verwies der damalige Staatssekretär im innerdeutschen Ministerium, Rehlinger, der heute Berliner Justiz- und Bundessenator ist, wurde ein „Beirat“ aus der Taufe gehoben, der dem „Bastard eines privaten Staatsfernsehens (Matthias Greffrath) zur Seite gestellt wurde. Darin sitzen Persönlichkeiten „von hohem Ansehen“, etwa der Weltraumforscher Furrer, die SPD-Politologin Gesine Schwan und sieben andere, die den Intendanten Rohe (CDU) beraten dürfen. Sinnigerweise steht dem Gremium Hans-Günther Hoppe (FDP) vor, zugleich der Vorsitzende des innerdeutschen Ausschusses in Bonn. Er wacht somit über die Ausgabe der Gelder, die er in Bonn mitbeschlossen hat. Beirätin Gesine Schwan zum SFB: „Ich weise von mir, daß sich irgendein Mitglied des Beirats von der Regierung vereinnahmen läßt.“ Inzwischen gibt es in der Stadt Warnungen, selbst von Freunden der Alliierten. Die Amerikaner sollten aufpassen, daß sie als Schutzmacht Berlins nicht zur alleinigen Schutzmacht der CDU werden. Sie sind auf dem besten Wege dazu.
Als Rias kürzlich zu einem der vom 'Tagesspiegel‘ angestrengten Klageverfahren gegen das „subventionierte Staatsfernsehen“ geladen war, sorgte die US-Mission für Abstinenz. Justizsenator Rehlinger parierte die Ladung vor Gericht, Rias brauchte nicht zu erscheinen. Dieser rechtsfreie Raum ließ den SFB-Rundfunkrat bereits die Frage aufwerfen, ob Rias-TV eigentlich justitiabel sei. Und die Anwort des SFB-Justitiars: „Rias-TV ist für europäische Juristen ein schwer begreifbares Gebilde.“ Sollten sich SPD und Grüne in Bonn in dieser Frage einigen - die Grünen kündigten eine Normenkontrollklage an - dürfte das Bundesverfassungsgericht in arge Bedrängnis kommen.
Bis dahin bleibt Rias-TV erst einml auf Sendung, bringt auch die letzte, nach DDR riechende Meldung, die woanders längst im Papierkorb gelandet wäre. Die erste Woche brachte neben etlichen technischen Pannen viel Langeweile. Und weil der Rias partout nicht in den Geruch der Regierungsnähe kommen will, zählte der Berliner SPD-Oppositionsführer Momper zu den ersten Studiogästen, war sich Rias-TV mit den Grünen (beim Interview) einig, daß es mit der Massentierhaltung so nicht weitergehe.
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