piwik no script img

Privat-Post verweigert MindestlohnDumping im Auftrag von Behörden

Eine Privat-Post in Niedersachsen verweigert den Mindestlohn und bricht geltendes Recht. Ausgerechnet die Arbeitsagentur vertraut der Firma trotzdem Briefe an.

Ein ehemaliger Mitarbeiter will jetzt sein Geld einklagen. Bild: dpa

NEUE POSTGEWERKSCHAFT VON PIN

Die im Herbst gegründete Gewerkschaft der Neuen Brief- und Zustelldienste (GNBZ) ist offenbar von dem Post-Konkurrenten PIN Group finanziert worden. Es lägen Belege vor, wonach 133.526,69 Euro über einen Umweg an die GNBZ flossen, teilte der PIN-Insolvenzverwalter mit - und übergab entsprechende Unterlagen an die Kölner Staatsanwaltschaft. Seit Januar gilt ein Mindestlohn für Briefzusteller von 8 bis 9,80 Euro. Diesen Tarif, den Post und Ver.di vereinbarten, hatte die Bundesregierung für allgemeingültig erklärt. Die Post-Konkurrenten vereinbarten mit der GNBZ dagegen Löhne von 6,50 bis 7,50 Euro. Das Verwaltungsgericht Berlin entschied Anfang März, die Ausweitung des Mindestlohns auf die Post-Konkurrenten sei unzulässig. Das Arbeitsministerium legte dagegen Berufung ein. Der Chef des Arbeitgeberverbands Neue Brief- und Zustelldienste, Florian Gerster, ging auf Distanz zu PIN. Er habe die Vorgänge "mit Erstaunen" zur Kenntnis genommen. Über dubiose Verbindungen zwischen Post-Konkurrenten und neuer Gewerkschaft berichtete die taz bereits am 12. März.

Himmelblau war die Uniform, die Kai-Uwe Möller jeden Morgen anlegte. Für die private Firma Citipost Nordwest radelte er kreuz und quer durch Oldenburg und stellte Briefe zu. Den Briefträger-Mindestlohn bekam er dafür nie - Citipost brach seit Anfang Januar geltendes Recht. Ausgerechnet die größte deutsche Behörde interessierte das bislang nicht: Die Oldenburger Agentur für Arbeit ist Vorzeige-Kunde der Privat-Post.

Seit Januar hätte Kai-Uwe Möller eigentlich 9,80 Euro in der Stunde oder mehr verdienen müssen. Denn das ist der verbindliche Mindestlohn für westdeutsche Briefträger. Der Arbeitgeberverband Postdienste und die Gewerkschaft Ver.di hatten ihn ausgehandelt. Anschließend baten sie den Bundesarbeitsminister, ihre Branche ins Arbeitnehmer-Entsendegesetz aufzunehmen. Ende Dezember erließ das Ministerium eine Rechtsverordnung, die jeden Post-Arbeitgeber zwingt, den Mindestlohn zu zahlen.

Doch die Citipost Nordwest zahlte einfach nicht. Ihrem angestellten Briefträger Kai-Uwe Möller überwies sie auch weiterhin 180 Euro Grundgehalt im Monat einschließlich Leistungszulage und für jeden zugestellten Brief fünf Cent. Die gut einstündige Postsortierung vor der Auslieferung bezahlte Citipost überhaupt nicht. So kam Möller auf einen Stundenlohn von vier bis fünf Euro.

Immer wieder suchte Möller deshalb das Gespräch mit dem Depotleiter und weiteren Vorgesetzten. Doch selbst wenn er auf den geltenden Mindestlohn verwies, konterten die knapp: "Citipost kann das nicht zahlen." Und außerdem gebe es eine Gesetzeslücke, die man nutze.

Das stimmt allerdings nicht. Zwar gibt es einen Tarifvertrag, der einen Mindestlohn von höchstens 7,50 Euro vorsieht. Abgeschlossen haben ihn der Bundesverband der Kurier-Express-Post-Dienste (BdKEP), in dem einige private Postdienstleister und auch die Citipost Nordwest organisiert sind, und die Gewerkschaft Neue Brief- und Zustelldienste (GNBZ). Der BdKEP klagte auch gegen die Rechtsverordnung des Arbeitsministers und bekam Anfang März vom Berliner Verwaltungsgericht Recht. Doch bis die Berufung des Arbeitsministeriums entschieden ist, gilt weiterhin: Alle westdeutschen Post-Arbeitgeber müssen ihren Briefträgern mindestens 9,80 Euro pro Stunde zahlen. Im Januar und Februar galt das ohnehin. Citipost brach also geltendes Recht.

Die Oldenburger Agentur für Arbeit störte das bislang nicht. Stolz zeigt Citipost Nordwest die Behörde im Internet als Kunden vor. Und Kai-Uwe Möller berichtet, dass er noch im Februar regelmäßig Briefe der Arbeitsagentur und übrigens auch verschiedener Gerichte in Oldenburg zugestellt hat - für fünf Cent das Stück.

Die Oldenburger Arbeitsverwalter bestätigten der taz, dass sie seit rund zwei Jahren mit der Citipost Nordwest im Geschäft sind. Ihr Vertrag sei mit vier Wochen Vorlaufzeit kündbar. Und wenn man die Hinweise auf massiven Rechtsbruch bei Citipost Nordewest bestätigt finde, "werden wir uns überlegen, auszusteigen", sagte Behördensprecher Günter Behrendt.

Kai-Uwe Möller nützt das nichts mehr. Weil er immer wieder auf seinem Recht bestand, den Mindestlohn zu bekommen, galt er bei seinen Vorgesetzten bald als Querulant. Keiner der Briefträger-Kollegen hatte Möllers Mut, einen Betriebsrat gibt es nach Unternehmensangaben nicht. Die Drohung: "Wenn die Gewerkschaft hier reinkommt, machen wir den Laden zu", sei alltäglich gewesen, erzählt Möller. Er selbst sei nach zwei Jahren Betriebszugehörigkeit massiv zur Kündigung gedrängt worden. Schließlich gab er zermürbt auf.

Vor Gericht will Möller jetzt für seine Arbeit im Januar und Februar den Mindestlohn erstreiten. Und bis er einen neuen Job findet, bekommt er Geld von einer Behörde, die eigentlich gerne spart: von der Oldenburger Agentur für Arbeit.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!