Privat-Bahn im Norden: Metronom droht aus dem Takt zu geraten
Bahn-Betreiber zwischen Cuxhaven, Hamburg, Bremen und Göttingen steht vor Eigentümerwechsel. Die Belegschaft fürchtet um die Gehälter, den Geist und die Eigenständigkeit des beliebten Unternehmens
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Lutz Schreiber hat für die nächsten Tage Termine in den norddeutschen Verkehrsministerien geblockt. Der Bezirksvorsitzende der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) will verhindern, dass aus Belegschaftssicht etwas anbrennt, falls die Eisenbahngesellschaft Metronom einen neuen Mehrheitseigentümer bekommen sollte. Schreiber möchte die Landesregierungen dafür sensibilisieren, dass mit den Veränderungen bei Metronom ein Erfolgsmodell gefährdet werden könnte. "Man kann einen Verkehrsvertrag gut oder sehr gut erfüllen", sagt er.
Die Belegschaft ist durch das Zusammentreffen mehrerer Nachrichten aufgeschreckt worden: Ende April entließ die private Eisenbahngesellschaft mit den blau-gelben Waggons Knall auf Fall ihre beiden Geschäftsführer Henning Weize und Carsten Hein. Zeitgleich wurde bekannt, dass die Deutsche Bahn den Mehrheitseigentümer von Metronom, den britischen Verkehrskonzern Arriva, kaufen möchte. Ein Minderheitsanteil gehört dem Benex-Konzern, an dem die städtische Hamburger Hochbahn (HHA) beteiligt ist.
Sollte die Bahn Arriva kaufen, müsste sie sich aus kartellrechtlichen Gründen wohl von Metronom trennen, da sie sich sonst selbst Konkurrenz machen würde. Das Land Niedersachsen hat kürzlich angekündigt, entsprechende Bedenken beim Bundeskartellamt vorzutragen.
Die Belegschaft fürchtet, dass ihr "mittelständisch geprägtes Unternehmen" im Falle eines Eigentümerwechsels zerschlagen und in einen Konzern eingegliedert werden könnte. Dabei drohe der besondere "Metronom Spirit" verloren zu gehen, wie ihn die entlassenen Geschäftsführer verkörpert hätten und "für den sich die Mitarbeiter noch mal extra ins Zeug legten", heißt es in einem breit gestreuten "Brandbrief aus Mitarbeiterkreisen".
In dem Papier, das angeblich von 200 Mitarbeitern unterzeichnet worden ist, wird die Unternehmensphilosophie von Metronom scharf abgegrenzt von der seiner Haupteigentümerin Arriva. Während sich Arriva allein am Shareholder Value - dem Aktionärsinteresse - orientiere, verfolge Metronom ein Stakeholder Value-Konzept: Vor allem der Fahrgast, aber auch die öffentlichen Auftraggeber, die Mitarbeiter und die Gesellschafter sollten bedient werden.
"Metronom ist erfolgreich nicht wegen, sondern trotz der Einflussnahme der Gesellschafter", heißt in dem Brandbrief. Arriva und Benex hätten Metronom gezwungen, Dienstleistungen bei ihnen einzukaufen. Dabei sei etwa das von der Hochbahn besorgte Marketing ohne Verständnis für die Marke Metronom gewesen. Den Vertrag für Computerdienstleistungen der Arriva-Tochter Osthannoversche Eisenbahnen (OHE), kündigten die Metronom-Geschäftsführer, weil sie unzufrieden waren.
Der selbstbewusste bis konfrontative Kurs der beiden Geschäftsführer scheint den Gesellschaftern Ende April über die Hutschnur gegangen zu sein. Sie entließen Weize und Hein und setzten Wolfgang Birlin von OHE an ihrer Stelle ein. In einer Presseerklärung versprach Birlin Kontinuität. Metronom verstehe sich auch in Zukunft "als regional wichtiger Arbeitgeber mit fairer tarifvertraglicher Entlohnung, wie auch als verlässlicher Dienstleister im Nahverkehr".
Der Gewerkschafter Schreiber ist sich da nicht so sicher. Die zu Benex gehörende Ostdeutsche Eisenbahn GmbH (Odeg) zahle weit unter Tarif, warnt er, räumt aber ein, dass das auch mit der Wirtschaftslage in Ostdeutschland zu tun habe. Bei Metronom erwarte er auch in Zukunft ein Lohnniveau wie bei der Deutschen Bahn.
"Tarifverträge sind einzuhalten", sagt Benex-Sprecher Christoph Kreienbaum, aber selbstverständlich müssten solche Verträge immer wieder neu verhandelt werden. Die Metronom-MitarbeiterInnen erwirtschafteten trotz guter Gehälter Gewinne. Die Kritik am Hochbahn-Marketing hält er für ungerecht, sei doch die Marke Metronom von den Hochbahnleuten gestaltet worden. Benex könne gut mit dem jetzigen Modell mehrerer Gesellschafter leben, sich aber auch vorstellen seine Anteile an Metronom aufzustocken. "Schließlich ist das ein Erfolgsmodell", sagt Kreienbaum.
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