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Archiv-Artikel

BERLINER PLATTEN Prinzipiell Postrock (als existenzielle Angelegenheit): vital nach außen drängend mit Tony Bucks neuem Projekt Transmit und schön nachdenkend nach innen horchend mit Blainbieter

Doch, man kann die Musik schon auch nach dem Cover einschätzen, zur Grobsortierung wenigstens, und dass die beiden CDs hier in schlichten Kartons in der Existenzialistenfarbe Schwarz stecken, sagt durchaus was über die Konzentration, mit der musikalisch gearbeitet wurde. Und dass Rock eben schon weiter eine Sache sein kann, die einen ganz existenzialistisch angeht.

Das Projekt Transmit ist dabei der neue Auslauf von Tony Buck, den man in Berlin als vielseitig interessierten Impromusik-Schlagzeuger (The Necks, Peril) kennt. Hier frönt er mal seiner neuen Lust an der Gitarre, und bis auf den Bass hat Buck den Rest bei dem auf Staubgold erscheinenden Album gleich selbst mit eingespielt, mit einem wuchtigen Rock, für den die Gitarren schaufeln und schrabbeln, die einzelnen Phrasen beharrlich wiederholend, so dass die Musik auch die rechte Schubkraft bekommt, wie man das etwa von The Ex oder Shellac kennt oder auch dem SST-Gitarrenrock. An manchen leichtherzigeren Stellen klingt sogar fast so ein Fluss wie von Pell Mell an (deren Endachtziger/Frühneunziger-Platten mal wieder nachdrücklich empfohlen sein sollen). Neben der fein geschredderten Minimal Music, den Hardcore-Zuspitzungen und den Postrockarchitekturen aber hört man vor allem Bucks Freude an der Gitarre als prima Krachmaschine. Wobei es sich hier keineswegs um eine Lärmplatte handelt, kein Noise, sondern um einen klar strukturierten Repetitions-Rock, effizient in seinem Drängeln und spannend genug die Zeit ordnend. Auch wenn das beim Projekt Transmit intendierte Prinzip, sich Gitarrenschippe auf Gitarrenschippe in die Trance zu arbeiten, auf Platte halt meist weniger gut funktioniert als im Konzert. Dafür gibt es auch die Band zum Projekt, die am Sonntag im Live at Dot spielen wird.

Etwas mehr Gedanken über Melodien und überhaupt den Song hat man sich bei Blainbieter gemacht, der Berliner Band, die sich seit ihrem letzten Album „Cleanride“ von 2003 reichlich Zeit gelassen hat für „Nicer Dogs“. Was auch zu hören ist, dieses intensive Nachdenken über Sounds und Arrangements, und wie Strukturen mit den Details so miteinander verkoppelt werden, dass nichts zum bloßen Ornament wird. Was doch Progrock wäre, während Bleinbieter lieber das Feld des Postrock ausweiten, hin zum Song. In den nachschleppenden Rhythmen, dem zerknautschten Gesang und den zur Kenntlichkeit herausgearbeiteten Prinzipien wie der im Bratzgitarrenrock beliebte Laut-Leise-Wechsel hat die Musik dabei etwas Angespanntes, in den Nerven zerdehnt. Überreizt, leicht neurotisch. Sie lässt nicht los. Rennt sie doch einmal los, rennt sie auf eine Wand. Noch lieber aber gönnt sie sich die Schönheit der wohlproportionierten Klangarchitektur, mit erhabenen Ausblicken eigentlich, wobei Blainbieter auch dabei wieder den Richtungswechsel schaffen. Diese Musik hört nach innen.

Auf der Bühne muss man sich Blainbieter wohl als eine Band vorstellen, die beim Spielen eifrig die Schuhe beguckt. Nachschauen kann man am Donnerstag, 16. April, beim Konzert im Live at Dot. THOMAS MAUCH

Projekt Transmit (Staubgold) Live 5. April, Live at Dot

Blainbieter: „Nicer Dogs“ (Blankrecords) Live 16. April, Live at Dot